100.000 Wörter und ein episches Finale in Sichtweite

Gestern Nacht habe ich in meinem Roman das Hunderttausendste Wort geschrieben! Ein guter Grund für mich, kurz inne zu halten und stolz zu sein auf die reiche Welt und Figuren, die ich seit dem 1. November 2017 erschaffen habe. Klar ist mir auch, dass eine Zahl nichts über Qualität aussagt, aber den miesepetrigen Zweifler schicke ich mal vor die Tür.

Von meiner Krise in der ersten Januarwoche habe ich mich erholt. Darüber zu schreiben hat mir sehr geholfen, ebenso wie die einfühlsamen Rückmeldungen von vielen von euch.

Seit dem 9. Januar schreibe ich nun weiter – aber ohne Fristendruck und mit mehr innerer Ruhe und Gelassenheit. Zwischendurch erledige ich anstehende Schreibaufgabe für mein Studium (das beruhigt mein Pflichtgefühl und macht im Übrigen auch Spaß) und mache auch mal Ruhetage. Ein Kapitel, das ich im November an einem Tag geschrieben hätte, dauert heutzutage eben drei Tage.

Das unbeschwerte voran Preschen aus dem November kann ich nicht wieder zurück holen. Aber auch das ist eine wichtige Erkenntnis für mich: Die Anfangsphase eines Romans ist eben ganz anders, als die Schlussphase. Ich schreibe langsamer und denke mehr über die Handlungs- und Figurenentwickung nach, weil ich das schon Entstandene schlüssig zusammen fügen möchte. Jetzt bewerte ich meine Bedächtigkeit nicht mehr als Manko, sondern akzeptiere sie als neue Phase. Damit fühle ich mich jetzt entspannter.

In der letzten Woche bin ich in das dramatische Finale des Jungen mit der Gitarre auf seiner Bauminsel in der Welt des Immerwährenden Klanges eingestiegen. Dort führen Regelzwang und Uniformität zur Rebellion des Individuums. Die Antagonistin des Jungen ist Altmeisterin Legis, deren Prinzipientreue gnadenlos ist. Die Eskalation findet zunächst in Wortgefechten statt und mündet dann in eine actionreiche Flucht des Jungen auf einem Schneevogel von seiner Insel (das werde ich in den nächsten Tagen schreiben).

Zwischen all dieser Dramatik brauchte ich (und die späteren Leser*innen sind vielleicht auch dankbar dafür) eine kleine Erholungspause und einen Kontrast. So bin ich vorgestern und gestern in die Menschenwelt zu Philipp (er ist gerade 18 geworden) zurück gekehrt. Sein Alltag ist zwar weniger spektakulär, dennoch muss er lebensentscheidende Weichen passieren. Vielleicht habe ich es mit den Referenzen zur Populärkultur und dem Zeitgeschehen von 1997 ein bisschen übertrieben. Aber zensieren will ich doch erst später.

Ich muss ganz schön schmunzeln, wie sich mein fieser Feuerteufel (der Philipp als Grundschüler noch war) über die Zeit gewandelt hat. Er ist mir beim Schreiben ans Herz gewachsen und hat seine Backform des Bösewichts gesprengt. Aber aus Saulus ist kein Paulus geworden. Ich hoffe, er bleibt ambivalent.

Die Ziellinie für den Jungen mit der Gitarre ist also für mich schon sichtbar. Allerdings ist meine Geschichte dann noch nicht vollständig erzählt, denn Elise verdient noch ihr eigenes Finale. Hier habe ich nach Silvester ein Handlungsloch (mit 3 Platzhalter-Kapiteln) zurück gelassen. Diese Fäden werde ich in meinem Schreib-Finish wieder aufgreifen. Elise muss eine unmoralische Abiturprüfung bestehen. Als Gegenspielerin werde ich die neidische Mitschülerin aus der Grundschule – Rita – (die ich eigentlich schon abgeschrieben hatte) wieder aus ihrem Wort-Vakuum erwecken und in den Zickenkrieg schicken.

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6 Antworten auf „100.000 Wörter und ein episches Finale in Sichtweite“

  1. Glückwunsch zu den 100.000 Wörtern! 🙂 Das ist echt eine tolle Leistung.
    Die Leseprobe fand ich auch mal wieder sehr gelungen und witzig 🙂 mir waren es auch nicht zu viele Referenzen.

    Viel Vergnügen weiterhin beim Finish! Schön, dass es dir wieder Spaß macht!

  2. Liebe Ulrike,
    wow, Hunderttausendwörter (und von solcher Qualität!) sind echt eine tolle Leistung, bravissimo! Sei stolz auf dich! Die Ziellinie ist nun in Sicht, du musst dich aber nicht hetzen.
    Mindestens genau so erfreulich ist, dass du deine Schreibkrise überwunden hast und nun das Vergnügen am kreativen Phantasieren wiedergefunden hast – schön, dass du nun ohne Deadline mit innerer Ruhe deine Figuren ausgestaltest und alle Fäden zusammenführst. Es ist eine wichtige Erkenntnis, dass es im Schreibprozess verschiedene Phasen gibt: Toll, dass dein Einstieg im November so flüssig und leichtfüßig lief. Das Finale ist halt ein anderer Texttyp und braucht mehr Zeit.

    Der Textauszug gefällt mir sehr gut! Ich finde nicht, dass es zu viele Referenzen sind – das 90er Jahre Feeling kommt prall rüber. Philipp hat sich echt interessant entwickelt, als Leserin mag ich ihn immer mehr, er ist komplex und mit all seinen Schwächen liebenswert. (Als Kontrast zum Jungen mit der Gitarre ist er auch sehr wichtig!) Sein Arbeitsalltag als Security Man in der Mall kommt schillernd rüber, da war ich sofort mitten drinnen! Seine Wahrnehmung und Gedankenwelt machst du auch sprachlich gut deutlich.

    Nun drücke ich dir die Daumen für ein genussvolles Vollenden dieser wunderbaren Geschichte! Bin schon sehr gespannt darauf, das furiose Finale zu lesen!
    LG Dorit

    1. Vielen Dank liebe Dorit! 🙂 Es freut mich, dass du Philipp magst. Mir macht es beim Schreiben großen Spaß, die sympathischen Schwächen einer Figur auszuloten. Fast schon ist mir der Junge mit der Gitarre zu perfekt. Aber ihn stürze ich schon noch in Irrungen und Wirrungen.

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