Melancholie und Sehnsucht: Liedgesang auf höchstem Niveau mit Jonas Kaufmann und Diana Damrau in der Philharmonie Berlin

Berlin, 30. Juni 2025

Wie eindringlich und berührend Liedgesang sein kann, beweisen Startenor Jonas Kaufmann und Sopranistin Diana Damrau in ihrem Liederabend, der Stücken von Richard Strauss und Gustav Mahler gewidmet ist.

Jonas Kaufmann und Diana Damrau, Foto ©Julia Wesely

Das eingespielte Duo ist schon zum dritten Mal mit ihrem versierten Liedbegleiter Helmut Deutsch auf Tournee (zuvor von 2018 und 2022). Kaufmann und Damrau – beide gebürtige Bayern – kennen sich seit 1997 und haben schon viele musikalische Glanzmomente gemeinsam gestaltet und verstehen sich auch in menschlicher Hinsicht prächtig, was in ihrer Interaktion auf der Bühne deutlich zu Tage tritt.

An diesem heißen Sommerabend ist die Berliner Philharmonie nur gut zur Hälfte gefüllt trotz der hochkarätigen Besetzung. Kaufmann tritt im Frack vors Publikum, Damrau zeigt sich in einem ausladenden Kleid in Rosé und nach der Pause in einem frischen blauen Gewand passend zu den „Rheinlegendchen“.

Helmut Deutsch (Klavier), Diana Damrau (Sopran), Jonas Kaufmann (Tenor) in der Philharmonie Berlin

Der Liedgesang gilt als die höchste Kunstform, zu Recht, denn man kann sich hier stimmlich nicht verstecken, kein Orchester deckt kleine Schwächen gnädig zu, jeder Ton wird den Zuhörenden wie auf dem Silbertablett präsentiert. Und Kaufmann und Damrau beherrschen diese hohe Kunst beide meisterlich.

Jonas Kaufmann versteht es, die melancholischen Lieder mit großer Empfindsamkeit und Tiefe zu gestalten. Dabei klingt seine warme Stimme auf jedem Ton schön, die Übergänge zwischen den Registern sind leicht und fließend. Er singt mit großer Textverständlichkeit, ohne dabei unnatürlich zu klingen oder Konsonanten zu „spucken“.

Der emotionale Höhepunkt in seinem fesselnden Vortrag ist das tieftraurige „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ von Gustav Mahler mit Text von Friedrich Rückert, bei dem das Publikum ihm mit angehaltenem Atem lauscht. Selbst, als der letzte Ton verklungen ist, liegt ein sekundenlanges andächtiges Schweigen im Raum, bis frenetisch applaudiert wird.

Diana Damrau brilliert mit ihrem edlen Sopran, der leicht und flexibel ist, dabei niemals schrill klingt. Sie gestaltet die Lieder mit viel Temperament und ist für die komödiantische Note zuständig.

Obwohl sie mit einer Erkältung zu kämpfen hat und zwischendurch einige Male husten muss, ist ihr Gesang makellos schön.

Tenor und Sopran wechseln sich im Gesang ab, jedoch spannen sie gemeinsam einen Erzählbogen, mit Blicken und Gesten stellen sie eine Verbindung zueinander und zwischen den Liedern her, was sehr einnehmend wirkt.

Helmut Deutsch ist ein sehr einfühlsamer Klavierbegleiter, der nicht nur die Stimmen untermalt, sondern auch eigene Akzente setzt und ein tiefes Verständnis für die Musik offenbart.

In der ersten Zugabe „Trost im Unglück“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler geben Kaufmann und Damrau ein zerstrittenes Liebespaar mit herrlicher Komik und Spielfreude zum Besten und bringen das Publikum zum Lachen.

Im letzten Vers heißt es:

„Du glaubst, ich werd’ dich nehmen!
Das hab’ ich lang’ noch nicht im Sinn!
Ich muß mich deiner schämen
Wenn ich in Gesellschaft bin!“

Auch die zweite Zugabe sprüht vor Lebensfreude – mit „Saft und Kraft“ wie es im „Wiener Blut“ heißt, das aus der komischen Operette von Johann Strauss (Sohn) stammt. Das gutgelaunte Duo besingt die Missverständnisse einer Liebesbeziehung und legt dabei einen kleinen Walzer aufs Parkett. Der Abend endet mit stehenden Ovationen für die drei Musiker:innen.

Ein rundum gelungener Liederabend voller Gefühl und Stimmschönheit mit sympathischen Klassik-Stars.

Das Programm:

Richard Strauss (1864-1949):

Acht Lieder (aus „Letzte Blätter“ auf Texte von Hermann Gilm, op. 10)

  • Zueignung
  • Nichts
  • Die Nacht
  • Die Georgine
  • Geduld
  • Die Verschwiegenen
  • Die Zeitlose
  • Wer hat’s getan
  • Allerseelen

Liebeshymnus, op. 32, Nr. 3 (aus „Fünf Lieder“; Text: Karl Friedrich Henckell)

Schlagende Herzen (aus „Drei Lieder“, op. 29, Nr. 2; Text: Otto Julius Bierbaum)

Ich trage meine Minne (aus „Fünf Lieder“, op. 32, Nr. 1; Text: Karl Friedrich Henckell)

Einerlei (aus „Fünf kleine Lieder“, op. 69, Nr. 3; Text: Ludwig Achim von Arnim)

Nachtgang (aus „Drei Lieder“, op. 29, Nr. 3; Text: Otto Julius Bierbaum)

Freundliche Vision (aus „Fünf Lieder“, op. 48, Nr. 1; Text: Otto Julius Bierbaum)

Ich liebe dich (aus „Sechs Lieder“, op. 37, Nr. 2; Text: Detlev von Liliencron)

Wie sollten wir geheim sie halten (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 4; Text: Adolf Friedrich von Schack)

PAUSE

Gustav Mahler (1860-1911):

  1. Rheinlegendchen (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  2. Um schlimme Kinder artig zu machen (aus „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“; Text: Anon.)
  3. Wer hat dies Liedlein erdacht (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  4. Ablösung im Sommer (aus „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“; Text: Anon.)
  5. Es sungen drei Engel einen süssen Gesang (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  6. Ich atmet‘ einen linden Duft (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  7. Liebst du um Schönheit (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  8. Blicke mir nicht in die Lieder (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  9. Ich bin der Welt abhanden gekommen (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)

Richard Strauss

  1. Leises Lied (aus „Fünf Lieder“, op. 39, Nr. 1; Text: Richard Dehmel)
  2. Wozu noch, Mädchen (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 1; Text: Adolf Friedrich von Schack)
  3. Breit über mein Haupt (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 2; Text: Adolf Friedrich von Schack)
  4. Ich schwebe (aus „Fünf Lieder“, op. 48, Nr. 2; Text: Karl Friedrich Henckell)
  5. Heimliche Aufforderung (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 3; Text: John Henry Mackay)
  6. Ruhe, meine Seele (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 1; Text: Karl Friedrich Henckell)
  7. Morgen (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 4; Text: John Henry Mackay)
  8. Cäcilie (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 2; Text: Heinrich Hart)
Bildnachweis: Titelbild ©Julia Wesely, alle anderen Fotos ohne Angabe sind privat von UG.
Social Share Buttons and Icons powered by Ultimatelysocial