Tänzerische Rhythmen aus Amerika in der Waldbühne beim Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker

Freitag, 27. Juni 2025

Für viele Berlinerinnen und Berliner ist das alljährliche Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker ein Fixpunkt im sommerlichen Kulturkalender und so ist auch schon die Anfahrt in der S-Bahn zur Waldbühne ein Gemeinschaftserlebnis. Menschen mit Sitzkissen und Picknickkörben bevölkern die Abteile und bald schon trappelt eine schier endlose Kolonne von Klassik-Begeisterten vom Pichelsberg gen Olympiastadion.

Foto: privat (UG)

In diesem Jahr ist jedoch etwas neu: Wegen des traditionell hohen Andrangs gibt es das Konzert gleich zwei Mal, am Freitag und am Samstag. Trotzdem ist die Waldbühne heute am ersten Abend beinahe vollständig gefüllt. Das Wetter spielt mit, es sind zwar nur gut 20 Grad, aber der Regen vom Mittag hat sich verzogen. Man breitet die Decken aus und legt sich ein warmes Tuch um die Schultern.

Kurz vor Konzertbeginn um 20.15 Uhr kommen die Philharmoniker auf die Bühne und heißen ihr Publikum mit einer gemeinschaftlichen La-Ola-Welle willkommen. Jetzt ist allen warm.

Das südamerikanische Flair setzt sich fort im ersten Stück des Abends: Kauyumari von Gabriela Ortiz. Das schwungvolle Stück wirkt cineastisch, die Rhythmen klingen wie das Trappeln von Pferden, man fühlt sich in eine südamerikanische Steppe versetzt.

Musikalisch ist der Abend tänzerischen Stücken aus Amerika aus dem 20. Jahrhundert gewidmet mit Komponistinnen und Komponisten aus Mexiko, Venezuela und Puerto Rico. Pulsierende Rhythmen aus dem Süden treffen auf nordamerikanische Folkmusik.

Das nächste Stück Danzón No. 8 „Homenaje a Maurice“ von Arturo Márquez ist eine Hommage an den Boléro von Maurice Ravel und hat doch seine ganz eigene Stimmung. Zunächst spielt die Solo-Oboe eine melancholische Melodie, nach und nach kommen immer mehr Stimmen aus dem Orchester dazu und die Musik steigert sich rauschhaft.

Unter der Leitung von Gustavo Dudamel beweisen die Berliner Philharmoniker, dass sie ein Orchester von Weltrang sind und begeistern mit einem nuancierten und brillanten Klang.

Nun folgen Old American Songs, First Set (Bearbeitung für Solostimme und Orchester) von Aaron Copland. Als Solist gibt der Bassbariton Ryan Speedo Green seinen Einstand in der Waldbühne. Der zweifache Grammy-Preisträger hat sich an der MET (Metropolitan Opera) in den letzten Jahren einen Namen gemacht und wurde von der New York Times als „the real showstopper“ gepriesen. Mittlerweile erobert er auch die europäischen Opernbühnen. Der Sänger interpretiert die Folksongs mit einer wohlklingenden Bronzestimme, die er beweglich und spielerisch einzusetzen weiß. Ein Highlight ist das letzte Lied für Kinder, in dem er Tiergeräusche nachmacht – so lässt er eine Kuh muhen, eine Ente schnattern und ein Pferd wiehern. Mit Schalk und Charme wickelt er sein Publikum um den kleinen Finger, das mitlacht und begeistert Beifall spendet.

Zum Schwelgen schön ist das Stück Santa Cruz de Pacairigua von Evencio Castellanos.

Nach der Pause geht es schwungvoll weiter mit Alegría von Roberto Sierra und jazzig mit Three Black Kings: Martin Luther King von Duke Ellington.

Den fulminanten Abschluss bilden die Symphonischen Tänze aus West Side Story von Leonard Bernstein. Hier wird auch mit den Fingern geschnippt im kämpferischen Duell der rivalisierenden Banden, die sich musikalisch mit schrägen Tönen gegenseitig herausfordern. Zwischendurch klingt das liebliche Thema von „Somewhere (There’s a Place for Us)“ des heimlichen Liebespaares Maria und Toni an, die von einem gemeinsamen Ort der Liebe träumen, der jedoch eine Utopie bleibt.

Ganz real ist die Begeisterung des Publikums bei der traditionellen Zugabe „Berliner Luft“ (von Paul Lincke) – hierbei wird ausgelassen mitgeklatscht, gepfiffen und gesungen und ein Meer von Lichtern macht das große Rund der Waldbühne zu einem magischen Ort.

Nach diesem wunderbaren Konzert geht man mit einem Lächeln auf den Lippen heim und freut sich schon auf das Wiedersehen im nächsten Sommer.

Mit dem Boléro versetzen die Berliner Philharmoniker das Publikum in Ekstase. Mitreißend dirigiert von Kirill Petrenko ist das Saisonabschlusskonzert in der Waldbühne in seinem 40. Jubiläumsjahr das Klassik-Highlight der Sommers

Wie jeden Sommer seit 40 Jahren strömen die Berlinerinnen und Berliner zu Scharen in die Waldbühne, um ihr liebstes Orchester zu hören und sich von der einzigartigen Atmosphäre dieses Amphitheaters unter freiem Himmel berauschen zu lassen.

Auch ich wandere an diesem milden Sommerabend im Menschenstrom von der S-Bahnstation zur Waldbühne. Der Himmel zieht sich grau zusammen und kurz nach 19 Uhr fallen sogar einige Regentropfen.

Doch pünktlich zum Konzertbeginn um 20:15 Uhr ist der Himmel wieder blau und die Sonne blinzelnd lächelnd auf die 20.000 Menschen in der seit Wochen ausverkauften Waldbühne nieder, die es sich hier mit mitgebrachten Decken und Picknickkörben gemütlich gemacht haben. Es ist ein Event für die ganze Familie – ganz kleine bis große Kinder sind mit ihren Eltern gekommen und fühlen sich sichtlich wohl.

Auch für die Berliner Philharmoniker ist das Open-Air-Spektakel ein Höhepunkt in ihrem Kalender, sie haben offensichtlich Freude und starten einige Minuten vor Konzertbeginn eine La-Ola-Welle, die vom Publikum aufgenommen wird und sich einige Runden lang durch die Tribüne hebt und senkt.

So in beste Stimmung gebracht, beginnt die Aufführung pünktlich – schließlich filmen auch die Kameras der rbb fleißig mit und tausende von Zusehenden können die musikalischen Genusshappen auf ihren Bildschirmen mitverfolgen. Chefdirigent Kirill Petrenko bringt als erstes Stück die „Johannisnacht auf dem Kahlen Berge“ von Modest Mussorgsky (bearbeitet von N. Rimsky-Korsakow) zum Erklingen. Die Musik vermischt sich mit dem Vogelgezwitscher aus den umgebenden Bäumen und man fühlt sich tatsächlich in eine monumentale Naturlandschaft versetzt.

Als nächstes wird das Klavierkonzert Nr. 1 Des-Dur op. 10 von Sergej Prokofjew dargeboten, den Solopart am Klavier übernimmt die Starpianistin Yuja Wang. Sobald die zierliche Pianistin in einem gelb-grünen Glitzerkleid mit sehr kurzem Rock auf die Bühne stöckelt, ertönen anerkennender Applaus und einige Pfiffe aus dem Publikum. Die französische Mutter hinter mir sagt zu ihrer kleinen Tochter: „Elle est super sexy.“ Doch nicht nur mit ihrer attraktiven Erscheinung kann Yuja Wang punkten, sondern auch mit ihrem sehr energetischen Spiel mit technischer Perfektion, wobei sie für meinen Geschmack einen recht harten Anschlag hat. Nach anhaltendem Applaus gibt die Pianistin noch zwei Zugaben und zeigt bei einem Stück von Chopin, dass sie auch weicher spielen kann.

Nach der Pause steht Maurice Ravel auf dem Programm. Hörte sich die Musik der russischen Komponisten im ersten Teil vor der Pause noch hart und klirrend an wie aus einer eisigen Winterlandschaft, so scheinen die französischen Klänge aufgetaut zu sein und fließen leicht und mild wie ein Quelle im Frühling. Ganz lieblich und schwelgerisch verführt das Stück „Pavane pour une infante défunte“ (Orchesterfassung) zum Träumen.

In eine sommerliche Schäferidylle der antiken Mythologie entführt einen Maurice Ravel mit „Daphnis et Chloé. Suite Nr. 2“. Die Ballettmusik betört mit einem flirrend-impressionistischen Klang.

Dann kommt der Höhepunkt des Abends: Der allseits bekannte und beliebte „Boléro“ von Maurice Ravel, der das Stück 1928 komponiert und als Ballett für die Tänzerin Ida Rubinstein konzipiert hatte. Die Uraufführung fand am 22. November 1928 in der Pariser Oper statt und sorgte für einen Skandal, denn Rubinstein tanzte als einzige Frau in einem Kreis von 20 jungen Tänzern und interpretierte die Musik mit lustvollen und lasziven Bewegungen, die den erotisch-orgastischen Charakter des Stücks betonten. Das Pariser Publikum war gleichermaßen schockiert und fasziniert und der Siegeszug des „Boléro“ war nicht mehr aufzuhalten.

Eine legendäre tänzerische Umsetzung aus jüngerer Zeit stammt vom argentinischen Balletttänzer Jorge Donn, der den Boléro im 1981 erschienenen Film „Les uns et les autres“ von Claude Lelouch unvergesslich interpretierte.

Doch an diesem Abend in der Waldbühne gibt es kein Ballett, sondern alleine die Musik soll die Zuhörenden in ihren Bann ziehen. Das gelingt schon, sobald die kleine Trommel mit ihrer sich 169 Mal wiederholenden Rhythmusfigur ansetzt und die schöne Melodie zart und leise von einer einzelnen Querflöte angestimmt wird. Der Sog dieser genialen Komposition liegt in den Wiederholungen, die jedoch niemals ermüdend wirken, sondern durch das stetige Hinzukommen weiterer Instrumente spannungsreich sind. So ist das Stück wie eine kleine Vorstellungsrunde, in der sich die einzelnen Instrumente der Philharmonie mit ihrem individuellen Klang und Charakter präsentieren dürfen: die Oboe melancholisch, Tenorsaxophon jazzig und die Posaunen satt. Während die Streichinstrumente zunächst nur rhythmisch gezupft werden, dürfen sie im Verlauf des Stücks auch in die Melodie mit einstimmen und ihre lieblichen Stimmen zum Erklingen bringen.

In seinen 18 Variationen mit zunehmender Klangfülle hebt die Musik die Stimmung in eine Euphorie, die sich mit dem Crescendo immer mehr hochschraubt. Mit ihren jazzigen Glissandi verströmen die Posaunen und Saxophone puren Übermut und Spielfreude. Seinen ekstatischen Höhepunkt findet die Musik in den letzten Takten mit Basstrommel, Becken und Tamtam. Der Schlussakkord ist dissonant und lässt die Töne in die Tiefe stürzen. Doch das Publikum ist in Hochstimmung, springt auf und applaudiert frenetisch.

Kirill Petrenko und die Philharmoniker nehmen den wohlverdienten Applaus für ihr virtuoses Spiel entgegen und belohnen das Publikum mit zwei Zugaben. In liebgewonnener Tradition endet das Konzert mit dem schwungvollen Marsch „Berliner Luft“ (von Paul Lincke, 1904), bei der unter dem dunklen Nachthimmel tausende von Lichtern aus dem Zuschauer-Rund geschwenkt werden und an den passenden Stellen ausgelassen mitgepfiffen wird.

So macht Musik Spaß!

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