Welche Rolle spielt der Perfektionismus beim Schreiben eines Romans?

Für mich als Autorin bedeutet Perfektionismus beim Schreiben nicht, ein makelloses und fehlerfreies Endprodukt (das gedruckte Buch) zu produzieren.

Perfektion ist für mich ein Ideal, nach dem ich strebe, es aber niemals erreichen werde. Vielmehr kommt es auf das unermüdliche Anstreben dieses Zieles an.

Perfektionismus beim Schreiben und Überarbeiten

Beim Schreiben und Überarbeiten eines Manuskripts richtet sich mein Streben also darauf, das Bestmögliche aus meiner Geschichte und dem Sprachmaterial herauszuholen. Das erfordert einen großen Einsatz, ich muss mir meinen Text immer wieder vornehmen und daran schleifen – an der Dramaturgie, der emotionalen Entwicklung der Figuren und nicht zuletzt an der Sprache – hier könnte man wirklich unendlich weitermachen, denn ein Text lässt sich sprachlich immer wieder umformen.

Bei meinen beiden historischen Romanen „Das Lachen der Pinguine“ und „Im Takt ihrer Träume“ habe ich das jeweilige Manuskript zuerst in der Rohfassung geschrieben, dann nach Feedback einer Testleserin zwei Mal überarbeitet und schließlich an meinen Verlag Tinte & Feder gegeben. Dort habe ich zwei Lektoratsrunden (zuerst Inhalt, dann Stil) und zwei Korrektoratsrunden durchlaufen. Also habe ich einen Text von rund 500 Seiten (ca. 110.000 Wörtern) rund sieben Mal durchgearbeitet. Damit einem hierbei nicht die Puste ausgeht, ist der Wunsch nach Perfektion für mich ein wichtiger Motor.

Ich kann jedoch sagen, dass mir dieser Prozess viel Freude bereitet. Es ist zwar anstrengend, aber gleichzeitig auch ein schönes Gefühl, wenn ich währenddessen und am Ende immer den Eindruck habe, eine Verbesserung erzielt zu haben – wobei dies natürlich immer subjektiv ist: Was möchte ich als Autorin ausdrücken? Habe ich alle Tiefen und Möglichkeiten ausgeschöpft? Am Ende dieses Prozesses steht idealerweise ein Buch, mit dem ich selbst vollständig zufrieden bin.

Dann ist der Zeitpunkt gekommen, einen Text loszulassen und in die Welt zu entlassen. Ob und wie der Roman dann der individuellen Leser:in gefällt, ist höchst unterschiedlich und liegt auch außerhalb meines Einflussbereichs.

Wichtig für meinen inneren Frieden ist, insbesondere, wenn ich auch Kritik für mein Buch einstecken muss, dass ich selbst im Reinen damit bin, weil ich weiß, dass ich das (für mein Empfinden) Bestmögliche herausgeholt habe.

Fehler nach der Veröffentlichung gefunden

Auch nach Veröffentlichung eines Buches kommt es vor, dass mir Lesende einen Fehler melden, den sie im Buch entdeckt haben.

Dass es fast unmöglich ist, ein formal (Rechtschreibung und Grammatik) perfektes Buch zu veröffentlichen, habe ich kürzlich erst wieder gemerkt. Einen Monat nach Veröffentlichung hat mir eine Leserin den folgenden Tippfehler gemeldet:

Finde den Fehler: »Zu Feier des Tages lade ich dich ins Kaffeehaus ein«, verkündete Johanna.

Da frage ich mich: Wie kann das bloß sein, wo doch zwei Lektorinnen, zwei Korrektorinnen und ich das Manuskript so gründlich durchleuchtet haben? Menschen arbeiten eben nicht perfekt (Rechtschreibsoftware noch weniger). Hier ist es an der Zeit, andere Stimmen meiner Autorin-Persönlichkeit zu aktivieren:

Die Gelassenen und die Großzügige: „Let it be“, singen sie mir zu. „Okay, Fehler passieren“, gibt die Perfektionistin seufzend zu.

Was macht ein „perfektes“ Buch für Sie bzw.  dich als Lesende/r aus?

Supermom oder Rabenmutter? Die Mutterrolle im Roman

Wie sieht die Mutterrolle in Büchern aus? Als ich darüber nachgedacht habe, welche Rolle die Mutterschaft in meinen bisher fünf Romanen spielt, war ich selbst erstaunt, wie zentral diese ist.

Was eigentlich nicht verwundern sollte, denn die Mutter spielt im Leben eines jeden Menschen eine prägende Rolle. Sie schenkt einem das Leben, nährt, beschützt und bestraft ihr Kind. In der Literatur wird die Mutter oft in Extremen geschildert: Wer kennt nicht die böse Stiefmutter aus der Märchenwelt, das „Schwiegermonster“ und die „Rabenmutter“?

Oder die Mutter wird als Glucke, „Supermom“ oder Heilige in ihrer Aufopferung porträtiert. Dabei denke ich zum Beispiel an Fantine in „Die Elenden“ von Victor Hugo, die als ledige Mutter für den Unterhalt von Töchterchen Cosette zuerst ihre Haare abschneidet, dann ihre Zähne ziehen lässt und zuletzt ihren ganzen Körper in der Prostitution verkauft und schließlich ausgelaugt stirbt.

Ich liebe die peinliche Mutter von Elizabeth Bennet in „Pride and Prejudice“ (dt. „Stolz und Vorurteil“) von Jane Austen. Sie ist eine herrlich komische Figur, die ihre Tochter gehörig in Verlegenheit bringt und auch einen Bremsklotz für ihr Liebesglück darstellt, denn Mr. Darcy ist wegen dieser Mutter zunächst abgeschreckt und nimmt sie schließlich nur zähneknirschend in Kauf bei seinem Heiratsantrag.

Kennst du den Film „Meine liebe Rabenmutter“ (1981) mit Faye Dunaway als eitle und cholerische Hollywood Diva Joan Crawford? Der Film basiert auf der Autobiografie ihre Tochter Christina: „Mommy dearest“ und hat bei ihrem Erscheinen ein mediales Beben in den USA ausgelöst, weil das perfekte Image des MGM Stars des Goldenen Hollywoods erstmals Risse bekam. Ich habe diesen Film als Teenager mit meinen Schwestern unzählige Male angeschaut und war fasziniert und abgestoßen von der psychischen Gewalt, die die Mutter gegenüber der Adoptivtochter ausübt (z.B. Machtkampf, ob Christina ein Stück blutiges Fleisch aufessen muss), bis hin zu einer drastischen Szene, in der Mutter Crawford ihre Tochter mit einem Drahtbügel verprügelt (auch optisch hexenhaft mit weißem Puder im Gesicht). Am Ende des Film gelingt es der Tochter allerdings, ihrer Mutter all die seelischen und körperlichen Verletzungen zu vergeben (obwohl sie sogar im Testament enterbt wird). Das hat mich an diesem Film sehr bewegt und beschäftigt.

Die Realität des Mutterdaseins liegt sicherlich zwischen diesen Polen – ich denke, jede Mutter möchte das Beste für ihr Kind, was aber im Resultat nicht immer optimal ist. Hierbei wird die Mutter ständig von allen Seiten beäugt und bewertet: Tut sie zu viel, zu wenig oder das Falsche?

Das alles macht die Figur der Mutter für mich sehr reizvoll beim Schreiben. Ich versuche stets, sie als vielschichtige Figur zu zeichnen, die ständig mit sich ringt und in dem Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Aufopferung steht.

So wird meine Protagonistin Johanna in „Im Takt ihrer Träume“ (Wien 1925) von ihrer Schwangerschaft überrumpelt und muss sich zwischen Kind und Karriere entscheiden – oder gibt es vielleicht doch einen Mittelweg?

Die 25-jährige Caroline Mikkelsen in „Das Lachen der Pinguine“ muss lernen, sich von ihrer dominanten Mutter abzugrenzen und ihre eigenen Wünsche gegenüber der Fremdbestimmung durchzusetzen.

Isa in „Das kleine Kräutercafé“ ist alleinerziehende Mutter des risikofreudigen Teenagers Yul. Sie muss erfahren, was es heißt, loszulassen und sein Kind seine eigenen Fehler machen zu lassen.

Welche Mütter aus Büchern sind dir besonders in Erinnerung geblieben – als Vorbild, Hassfigur oder Nervensäge?