Was der Buchmarkt verlangt: Trilogien vom Reißbrett – deutsche Frauenschicksale mit Lokalkolorit

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich die verkaufsfördernde Figur des Autors auf dem Buchmarkt unter die Lupe genommen, heute möchte ich zeigen, welche Stoffe zurzeit im Trend liegen.

Der Weg von der Debüt-Autorin zur Profi-Autorin mit Veröffentlichung in einem Publikumsverlag ist ein langer und beschwerlicher, gepflastert mit Zurückweisungen und Enttäuschungen. Die Pforte ins gelobte Land der Verlagswelt ist nur einen winzigen Spalt weit geöffnet und die Literaturagent:innen sind die Torwächter:innen, die eine erbarmungslose Auslese vornehmen.

Wenn man es jedoch einmal geschafft hat, werden offenbar auch mittelmäßige bis schlechte Manuskripte von den Verlagslektor:innen durchgewunken – Hauptsache, die/der Autor:in hat schon einen bekannten Namen – nur so kann ich mir erklären, warum ich schon so oft so unausgereifte oder hingeschluderte Bücher gelesen habe.

Nach meinen Erfahrungen der letzten Monate scheint es weniger auf die schriftstellerische Qualität eines Manuskripts anzukommen, damit man als Debüt-Autorin bei Agenturen oder Verlagen durchdringen kann, sondern es zählt alleine die Vermarktbarkeit eines Stoffes. Hier scheint es ganz feste Schubladen und Labels zu geben, die bedient werden müssen.

Bei meiner Marktschau zu Romanen für Frauen (also dem Genre, in dem ich selbst schreibe) haben sich für mich folgende Erfolgsparameter heraus kristallisiert:

  • bekannte Marke, Institution oder berühmter Name (Künstler, Erfinder, Denker wie in “Fräulein Einstein“, Politiker wie in “Lady Churchill“) kommt vor
  • Deutschland als Schauplatz, vorzugsweise starker Bezug zu einer Region (Lokalkolorit)
  • Frauen- oder Familien-Schicksal in bewegten Zeiten (19. und 20. Jahrhundert)
  • Serien-fähig, am besten eine Trilogie

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Programm der Aufbau Verlage: “Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe” – auch hier dienen große Namen als Zugpferde: Maria Callas, Edith Piaf, Coco Chanel, Grace Kelly, Marlene Dietrich, Frida Kahlo und Maria Montessori. Das Feld scheint mir aber schon ziemlich abgegrast zu sein.

Bei diesem eng eingezäunten Trend-Feld der Verlage wundert es nicht, dass die Agentur Lianne Kolf auf ihrer Homepage schreibt:

“Manuskripteinsendungen
Aktuell suchen wir Historische Romane mit den folgenden Eckdaten:
*Weibliche Protagonistin/nen
*Zeitraum: Ende des 19. Jahrhunderts – ca. 1960er Jahre
*Handlungsort: Deutschland mit Bezug zu Nachbarländern
*Reihenfähig; pro Band ca. 300-350 Normseiten”

Diesen Trend verfolgt zurzeit Bastei Lübbe sehr intensiv: „Starke Frauen in bewegten Zeiten“ lautet das Motto ihres Programms. Auf einer Landkarte Deutschlands findet man zu jeder Region ein Frauenschicksal in bewegten Zeiten – natürlich immer als Trilogie.

Der Verlag kooperiert mit der Lesejury“ ­– hier erhalten Lesebegeisterte kostenlose Exemplare vor dem Erscheinungstermin und verfassen hierfür Rezensionen – meisten sehr wohlwollend bis enthusiastisch (sehr effektives und kostengünstiges Marketing). Ich habe mich auch dort als „Wortfee“ angemeldet – um meine Konkurrenz zu analysieren und zu lernen, wie man schreiben muss, um veröffentlicht zu werden. Mittlerweile habe ich schon zwei Lübbe-Romane rezensiert.

Meinen Einstand hatte ich mit dem zweiten Teil der Trilogie „Palais Heiligendamm“ (also Ostsee mit Hotelstory kombiniert in 1920er Jahren bis in die Nazizeit). Das Machwerk hat mich alles andere als überzeugt. Meine kritische Rezension könnt ihr hier nachlesen (*** “Flache Figuren enttäuschen”). Ich hatte den Eindruck, bei dieser Trilogie handelte es sich um ein Auftragswerk seitens des Verlags bei der etablierten Autorin, die dann vom Reißbrett diese dünne Story geschrieben hat, die perfekt in die Verkaufsschublade des Verlags passt.

Ein zweites Erfolgsrezept ist: Die eigene Familiengeschichte. Seit über einem Jahr steht „Zwei Handvoll Leben“ von Katharina Fuchs erschienen bei Droemer Knaur auf der Spiegel-Bestsellerliste. Diesen Roman habe ich gelesen – hier muss ich zugeben, dass die Autorin wirklich gut schreiben kann und die Geschichte ihrer beiden Großmütter (vom ersten Weltkrieg über die 1920er Jahre in Berlin, dort im KaDeWe, bis zum Ende des zweiten Weltkriegs – also hochdramatische Zeiten deutscher Geschichte aus dem Erleben von zwei einfachen Frauen) packend und authentisch erzählt hat. Ich war so angetan, dass ich mir auch die Fortsetzung „Neuleben“ über ihre Tante und Mutter (in West-Berlin und DDR der 1950er Jahre) gekauft und mit viel Vergnügen gelesen habe.

Hiermit scheint ein weiterer Trend etabliert zu sein: Die Geschichte und Figuren sollen „echt“ sein.

Wenn ich an meinen Antarktis-Roman denke, dann hätte ich bestimmt schon einen Verlag gefunden, wenn Caroline Mikkelsen meine Großmutter wäre (oder ich mich einfach als ihre Nachfahrin ausgeben würde) und ich das Manuskript mit dem Label: „meine wahre Familiengeschichte“ versehen könnte.

Das bringt mich wieder zurück zur Frage, ob ich als Autorin nur über selbst Erlebtes (mittelbar über Familienbande) schreiben darf oder ob ich nicht genauso gut einer historischen Person über gute Recherche nahe kommen kann. Ich bin von Letzterem überzeugt.

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich nicht auch die bewegte Kriegsgeschichte meiner Großeltern erzählen könnte. Hier kenne ich einige eindrucksvolle Erzählungen und mein Opa väterlicherseits hat auch Aufzeichnungen gemacht, auf die ich zurückgreifen könnte. Trotzdem weiß ich nur Bruchstücke und kenne nur die Episoden, die als „kindertauglich“ im Familienkreis erzählt wurden. Auch bei der Geschichte meiner Großeltern müsste ich sehr genau recherchieren.

Meine Vorfahren (Ur-Großeltern)

Aber ich spüre, dass ich eine innere Hemmung habe, die Erlebnisse meiner Großeltern für einen Roman zu „melken“.

Außerdem habe ich die verklärte liebevolle Sicht eines Kindes auf Oma und Opa – diese müsste ich als Autorin abstreifen und einen nüchternen bis schonungslosen Blick auf meine Großeltern werfen (Wie haben sie sich in der Nazi-Zeit verhalten? Haben sie auch Schuld auf sich geladen?). Das will ich aber eigentlich nicht. Mir fehlt die nötige schriftstellerische Distanz zu den Figuren, ich fühle mich befangen. Ich fürchte, eine freie Figurenentwicklung und dramaturgische Verdichtung wäre mir nicht möglich. Ich komme zu dem Schluss, dass ich nicht über meine Familienmitglieder schreiben möchte. Wenn ich historische Personen für einen Roman auswähle, dann möchte ich mich ihnen völlig unvoreingenommen und unbefangen nähern.

FAZIT: TRENDS NACHJAGEN ODER EIGENER ÜBERZEUGUNG UND INSPIRATION FOLGEN?

Was ziehe ich also nach dieser Marktschau für Schlüsse für meine zukünftigen Romanprojekte – die bitteschön in einen Trend der Verlage passen sollen, damit ich nicht nur für die eigene Schublade schreibe?

Ich denke, es tut weder der Kreativität noch dem schriftstellerischen Ergebnis gut, wenn ich als Autorin stumpf einem bestimmten Trend nachjage oder ein ausgeleiertes Strickmuster reproduziere.

Der Stoff soll mich begeistern, ich will dafür brennen – so wie bei meinem Wiener-Oper-Roman, den ich mit Feuereifer und Herzblut geschrieben habe, obwohl meine damalige Agentin mir davon abgeraten hat – das Klassik-Thema sei nicht massentauglich, bei Verlagen würden da sofort die Rollladen runter gehen. Ob das wirklich so ist, muss sich noch zeigen – ich biete mein Manuskript aktuell an.

Es wäre jedoch naiv, Markttrends völlig zu ignorieren. Ich denke, es kann nicht schaden, einige Erfolgselemente aufzugreifen und einzubauen – wenn sie zu meiner individuellen Geschichte passen.

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8 Antworten auf „Was der Buchmarkt verlangt: Trilogien vom Reißbrett – deutsche Frauenschicksale mit Lokalkolorit“

  1. Liebe Ulrike
    In deinen Schilderungen zeichnet sich Stoff für einen Krimi ab… Wie wäre es mit: „Unveröffentlichte Autorin schafft ihre eigenen Trends“
    Solange Du Tasten als Tatwaffe hast:
    Bleibe beharrlich!
    Herzlich, Urs

    1. Vielen Dank lieber Urs! Ja, manchmal komme ich mir wirklich wie eine Detektivin auf der halb verwischten Spur der erfolgreichen Buch-Täter vor. 🙂 Mein nächster Roman könnte ein Krimi sein mit einer erfolglosen Autorin, die geheime Machenschaften der Verlage aufdeckt – sie halten sich Zombie-Autoren im Keller…

  2. Liebe Ulrike,
    es ist schon traurig, was da so an seichter, oberflächlicher Unterhaltung auf dem Buch- und Filmmarkt rumwabert. Entweder muss man wohl schon vorher – durch was auch immer – bekannt sein, oder man kennt jemand, der jemand kennt. Und dann kann man sich so ziemlich alles erlauben und wird dennoch einen Verlag finden. Und wenn man erst mal einen hat, dann gibt es eh keine Qualitätskontrolle mehr, dann zählt nur noch der Name. Ich habe mir kürzlich den 30. Venedigkrimi von Donna Leon zugemutet. Der ist echt eine Zumutung, kaum Handlung, im wesentlichen irgendwelche halbphilosophischen Ergüsse über das Leben. Ich habe mich selten so geärgert….
    Aber wie sagt der Hesse: Bevor isch misch uffresch, isses mir liewer egal.
    Ich drück die Daumen, dass Du doch noch an die richtige Agent:in gerätst. Es wäre schade um Deine Romane, wenn die nicht an das Licht der Öffentlichkeit erblicken würden.
    Liebe Grüße
    Anne

    1. Vielen Dank liebe Anne! Stimme dir in allem zu. Ich habe auch schon festgestellt, dass Erfolgs-Autor*innen nach einigen guten Büchern oft nachlassen und ich als Leserin enttäuscht werde. Sicherlich ist es auch schwer, wenn man am Fließband produzieren muss. Aber dass die Verlags-Lektor*innen da nicht stärker auf Qualität achten, wundert mich schon. Diese extrem hohen Ansprüche, die an das Manuskript einer Debüt-Autorin gestellt werden, sollten auch bei Etablierten angewendet werden.

  3. Hallöchen Ulrike,
    Ich muss gestehen, dass ich die Sturmzeit Trilogie von Charlotte Link und die Tuchvilla Trilogie von (Name nicht griffbereit) gelesen hab. Und auch gern Krimis mit Lokalkolorid 🙂 lese. Wobei ich bei letzterem auch von einem Autor sehr enttäuscht wurde. Hab dann gewechselt. Leider ist da wahrscheinlich so viel Zeitdruck für das nächste Buch, dass die Qualität leidet.

    Ich bin da wohl eher der Zeitvertreibleser ohne in die Tiefe zu gehen. Nunja, die muss es ja auch geben 🙂

    Aber ich kann deinen Frust und deine Enttäuschung verstehen, dass die Tür ins “gelobte Literaturland” so schwer aufzuschieben ist und noch jemand hinter der Tür steht, der stoppt und meckert ” Du kommst hier nicht rein”.

    Ich finde es toll, dass du weiter machst und für deine Buchideen soviel recherchierst, um authentisch zu sein. Dass du die Orte besuchst, über die du schreibst und auch die Testleser (sorry, ich find gendern nervig) um Feedback bittest, um kritisch mit dem Text umzugehen. Ich mag deine anschaulichen Beschreibungen und kleinen Details.

    Ich schicke dir aus weiter Ferne viel Kraft und Energie!

    Ganz liebe Grüß
    janina 🌼

    1. Vielen Dank liebe Janina! Ich finde auch, dass Trilogien ihren Charme haben und “leichte Kost” lese ich auch ganz gerne – sollte aber handwerklich trotzdem gut gemacht sein. Ja, eine Reise an die Schauplätze meiner Romane ist die schönste Art der Recherche. Freue mich schon auf Frankfurt in zwei Wochen – dann können wir zusammen Grüne Soße kosten. 🙂

  4. Hallo Ulrike,
    sehr interessant, was du durch deine eingehende Marktrecherchen – auch als Rezensentin und Leserin im Freizeitmodus – und deine Erfahrungen bei eigenen Manuskript-Einreichungen und Gesprächen mit Literaturagent*innen über die Mechanismen des Buchmarktes herausgefunden hast.

    Deine Beobachtung, dass bei etablierten Namen viel Mist durchgewunken wird oder auch bei so manchem Debütroman nur das Trend-Thema zieht (auch bei schwächerer schriftstellerischer Qualität), teile ich.
    Ich lese ja auch gerne Unterhaltungsromane für Frauen und man muss die wirklich gelungenen Romane – die es ja zum Glück auch gibt – tatsächlich wie die Nadeln im Heuhaufen suchen. Hierbei stelle ich fest, dass die Rezensionen echter Leserinnen auf Portalen wie Amazon oder LovelyBooks oft sehr treffend die Stärken und Schwächen eines Romans treffen. Ich lasse mich durchaus von den Empfehlungen – oder dem Abraten – aus der Lesenden-Community beeinflussen. Und diesen Hobby-Leser*innen, die dort schreiben, fällt schlechte Qualität auf (leider erst nach dem Kauf, verführt durch attraktive Coverbilder und Klappentexte, die ihre Versprechen nicht hielten… – so wie bei mir neulich mit dem grottenschlechten Machwerk Oliven zum Frühstück, das ich aufgrund des schön illustrierten Einbandes und dessen Versprechen gekauft hatte, dass sich die Lektüre wie ein Urlaub auf Kreta anfühle; der Roman stammt von einer etablierten Autorin, die von ihrem Haus-und-Hof-Verlag unter Pseudonym diesen Ausflug in ein anderes Genre spendiert bekam – als Recherche reichten dafür offenbar ihre oberflächlichen Kreta-Kenntnisse als Urlauberin). Neuerdings kaufe ich keine Romane mehr blind im Buchladen, sondern lese erst online die aussagekräftigen Leser*innenbewertungen.

    Schade, dass die Verlage nicht mehr darauf setzen, dass auch im Segment der (vermeintlich) seichten (gerade das Schreiben mit der leichten Feder erfordert handwerkliches Können und Raffinesse seitens der Autorin) Unterhaltungsliteratur in der Zielgruppe eine kompetente Leserschaft sitzt, die Qualität erkennt und vor allem auch verdient.

    Ich finde es super, dass du dich beim Schreiben weiterhin von deiner Fantasie, Originalität und Begeisterung für deine Stoffe leiten lässt, aber doch so viel Cleverness und Anpassungsfähigkeit hast, die Trends und Erfolgsstrickmuster zu kennen und auf dein Werk anzuwenden. Das ist hoffentlich der goldene Weg zum veröffentlichten Debütroman.
    Liebe Grüße
    Dorit

    1. Vielen Dank liebe Dorit für deine ermutigenden Worte! 🙂 Ich denke wie du, dass man (als Autorin und Verlag) die Lesenden nicht unterschätzen sollte – besonders Menschen, die viel lesen, erkennen sehr wohl, ob ein Roman Qualität hat oder nur vom Fließband dahin geschludert ist. Nur leider merkt man es oft erst nach dem Kauf – und hat sich zuvor von einem vielversprechenden Cover und knackigem Klappentext in die Irre führen lassen. Deshalb lese ich auch meistens einige Rezensionen online, bevor ich ein Buch kaufe.

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