Folge 2: London – Olympisches Gemüse und Ophelias Todesblumen

STANDORT UND BODENVERHÄLTNISSE

Wir sind immer noch in London.

PROBIEREN GEHT ÜBER PIKIEREN

Es ist Nachmittag und ich schaukele in einem Doppeldeckerbus von meinem Hotel bei Earls Court zur Kensington Station – dort gibt es nämlich ein besonderes Gartenprojekt zu bestaunen.

Im Olymp des Gemeinschaftsgartens

Tatsächlich – auf einem Nebengleis des Bahnhofs Olympia liegt ein Obst- und Gemüsegarten, der von Anwohnern bewirtschaftet wird. Bunte Kübel auf dem unwirtlichen Asphalt haben das Areal in einen Garten verwandelt. Hier und dort ragen kleine Bäumchen, Blumen und Früchte hervor.

Leider hält mich auch hier ein Zaun zurück, zwischen den Pflanzen spazieren zu gehen (und vielleicht eine Beere zu kosten?). Ein Schild am Eingang besagt, dass der „Community Kitchen Garden“ Samstags geöffnet ist und man hier Kräuter und Setzlinge kaufen kann. Eine nahrhafte Oase gleich neben den ratternden Zügen. Nur ein bisschen schade, dass gerade keine Gärtner zum Gemüse-Talk da ist.

BLICKFANG

The Phoenix Garden

Ich bin schon öfters im Theaterviertel, dem berühmten Londoner West End, spazieren gegangen, aber diese versteckte Gartenoase entdecke ich (dank vorheriger Internetrecherche) heute zum ersten Mal.

Es ist Mittagszeit und hinter dem Phoenix Theatre und dem Odeon Cinema fällt mein Blick zuerst auf eine helle Mauer mit dem Gartennamen. Auch Zaun und Grünes sehe ich, aber wo geht es hier hinein? Brauche ich etwa wieder Genehmigung und Schlüssel?

Ich gehe am Zaun entlang und tatsächlich, im baumverhangenen Schatten tut sich eine kleine Öffnung auf, durch die Menschen in Anzug und Kostüm oder eher legerem Dress rege hinein strömen – meist mit einem Sandwich oder einer Plastikschale mit Salat in der Hand.

Ich betrete den Garten und fühle mich sofort in eine andere Welt versetzt. Kleine verschlungene Wege führen auf winzige Plätze, wo man sich auf eine Bank oder auf einen Stein umrankt von Zweigen und Blättern setzen kann. Ich folge dem Weg und hinter jeden Biegung taucht eine weitere kleine Überraschungsnische auf.

Obwohl hier viele Menschen sitzen und im Grünen ihr Mittagessen genießen, strahlt der Garten doch etwas Geheimnisvolles und Intimes aus.

Es ist übrigens ein Gemeinschaftsgarten, der von Anwohnern liebevoll gepflegt wird und ökologischen Prinzipien folgt (und von Spenden finanziert wird) und für JEDEN geöffnet ist, der sich nach einer Atempause im Grünen sehnt.

Im hinteren Teil suche ich mir eine Bank im Schatten und genieße einige Brombeeren, die mir der Strauch dahinter großzügig anbietet.

Ein friedlicher und lebendiger Ort.

LITERARISCHE ERNTE

Das letzte Mal habe ich Jane Austen geehrt, aber wenn es um englische Literatur geht, darf einer nicht fehlen:

Was sagt eigentlich William Shakespeare dazu?

In Hamlet windet Ophelia unter einem Weidenbaum am Bach sitzend eine Blumengirlande und sinkt mit ihr hinab ins Wasser und ertrinkt.

„Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach

Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,

Mit welchem sie phantastisch Kränze wand 

Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen.“

aus: Hamlet, 4. Aufzug, 7. Szene

Dieses eindrucksvolle Gemälde „Ophelia“ von John Everett Millais habe ich in der Tate Britain bewundert.

Die Verse von Shakespeare und das Gemälde sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie Pflanzen in Literatur und Malerei als Symbole eingesetzt werden.

Im Bild von Ophelia könnt ihr folgende symbolträchtige Pflanzen und Blumen entdecken:

Trauerweide – verlassene Liebe

Mohnblume – Schlaf und Tod

Stiefmütterchen – Trauer

Butterblume – Undankbarkeit und Kindlichkeit

Nessel – Schmerz und Kummer

Gänseblume – Unschuld

Rose (pink) – Jugend, Liebe, Schönheit (Ophelia wird von ihrem Bruder „Rose of May“ genannt)

Veilchen (Girlande um Hals) – Treue, Keuschheit und früher Tod

AM WEGESRAND

Nach so viel Melancholie nun noch etwas Heiteres. Die Briten legen viel Wert auf Regeln und Etikette.

So gibt es auch Benimmregeln für Parkbesucher. Im St. James’s Park beim Buckingham Palace ist mir dieses Schild ins Auge gefallen. Dabei hätte ich doch so gerne ein paar Enten über den Rasen gejagt.

Die Entenliebe geht noch weiter. So dürfen im Londoner Untergrund minderjährige Ducklings mit ihrer Entenmutter kostenlos mit der Tube fahren.

London hat die grüne Messlatte also Baumhoch gehängt. Jetzt bin ich gespannt, was mir in Berlin so alles blühen wird.