Melancholie und Sehnsucht: Liedgesang auf höchstem Niveau mit Jonas Kaufmann und Diana Damrau in der Philharmonie Berlin

Berlin, 30. Juni 2025

Wie eindringlich und berührend Liedgesang sein kann, beweisen Startenor Jonas Kaufmann und Sopranistin Diana Damrau in ihrem Liederabend, der Stücken von Richard Strauss und Gustav Mahler gewidmet ist.

Jonas Kaufmann und Diana Damrau, Foto ©Julia Wesely

Das eingespielte Duo ist schon zum dritten Mal mit ihrem versierten Liedbegleiter Helmut Deutsch auf Tournee (zuvor von 2018 und 2022). Kaufmann und Damrau – beide gebürtige Bayern – kennen sich seit 1997 und haben schon viele musikalische Glanzmomente gemeinsam gestaltet und verstehen sich auch in menschlicher Hinsicht prächtig, was in ihrer Interaktion auf der Bühne deutlich zu Tage tritt.

An diesem heißen Sommerabend ist die Berliner Philharmonie nur gut zur Hälfte gefüllt trotz der hochkarätigen Besetzung. Kaufmann tritt im Frack vors Publikum, Damrau zeigt sich in einem ausladenden Kleid in Rosé und nach der Pause in einem frischen blauen Gewand passend zu den „Rheinlegendchen“.

Helmut Deutsch (Klavier), Diana Damrau (Sopran), Jonas Kaufmann (Tenor) in der Philharmonie Berlin

Der Liedgesang gilt als die höchste Kunstform, zu Recht, denn man kann sich hier stimmlich nicht verstecken, kein Orchester deckt kleine Schwächen gnädig zu, jeder Ton wird den Zuhörenden wie auf dem Silbertablett präsentiert. Und Kaufmann und Damrau beherrschen diese hohe Kunst beide meisterlich.

Jonas Kaufmann versteht es, die melancholischen Lieder mit großer Empfindsamkeit und Tiefe zu gestalten. Dabei klingt seine warme Stimme auf jedem Ton schön, die Übergänge zwischen den Registern sind leicht und fließend. Er singt mit großer Textverständlichkeit, ohne dabei unnatürlich zu klingen oder Konsonanten zu „spucken“.

Der emotionale Höhepunkt in seinem fesselnden Vortrag ist das tieftraurige „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ von Gustav Mahler mit Text von Friedrich Rückert, bei dem das Publikum ihm mit angehaltenem Atem lauscht. Selbst, als der letzte Ton verklungen ist, liegt ein sekundenlanges andächtiges Schweigen im Raum, bis frenetisch applaudiert wird.

Diana Damrau brilliert mit ihrem edlen Sopran, der leicht und flexibel ist, dabei niemals schrill klingt. Sie gestaltet die Lieder mit viel Temperament und ist für die komödiantische Note zuständig.

Obwohl sie mit einer Erkältung zu kämpfen hat und zwischendurch einige Male husten muss, ist ihr Gesang makellos schön.

Tenor und Sopran wechseln sich im Gesang ab, jedoch spannen sie gemeinsam einen Erzählbogen, mit Blicken und Gesten stellen sie eine Verbindung zueinander und zwischen den Liedern her, was sehr einnehmend wirkt.

Helmut Deutsch ist ein sehr einfühlsamer Klavierbegleiter, der nicht nur die Stimmen untermalt, sondern auch eigene Akzente setzt und ein tiefes Verständnis für die Musik offenbart.

In der ersten Zugabe „Trost im Unglück“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler geben Kaufmann und Damrau ein zerstrittenes Liebespaar mit herrlicher Komik und Spielfreude zum Besten und bringen das Publikum zum Lachen.

Im letzten Vers heißt es:

„Du glaubst, ich werd’ dich nehmen!
Das hab’ ich lang’ noch nicht im Sinn!
Ich muß mich deiner schämen
Wenn ich in Gesellschaft bin!“

Auch die zweite Zugabe sprüht vor Lebensfreude – mit „Saft und Kraft“ wie es im „Wiener Blut“ heißt, das aus der komischen Operette von Johann Strauss (Sohn) stammt. Das gutgelaunte Duo besingt die Missverständnisse einer Liebesbeziehung und legt dabei einen kleinen Walzer aufs Parkett. Der Abend endet mit stehenden Ovationen für die drei Musiker:innen.

Ein rundum gelungener Liederabend voller Gefühl und Stimmschönheit mit sympathischen Klassik-Stars.

Das Programm:

Richard Strauss (1864-1949):

Acht Lieder (aus „Letzte Blätter“ auf Texte von Hermann Gilm, op. 10)

  • Zueignung
  • Nichts
  • Die Nacht
  • Die Georgine
  • Geduld
  • Die Verschwiegenen
  • Die Zeitlose
  • Wer hat’s getan
  • Allerseelen

Liebeshymnus, op. 32, Nr. 3 (aus „Fünf Lieder“; Text: Karl Friedrich Henckell)

Schlagende Herzen (aus „Drei Lieder“, op. 29, Nr. 2; Text: Otto Julius Bierbaum)

Ich trage meine Minne (aus „Fünf Lieder“, op. 32, Nr. 1; Text: Karl Friedrich Henckell)

Einerlei (aus „Fünf kleine Lieder“, op. 69, Nr. 3; Text: Ludwig Achim von Arnim)

Nachtgang (aus „Drei Lieder“, op. 29, Nr. 3; Text: Otto Julius Bierbaum)

Freundliche Vision (aus „Fünf Lieder“, op. 48, Nr. 1; Text: Otto Julius Bierbaum)

Ich liebe dich (aus „Sechs Lieder“, op. 37, Nr. 2; Text: Detlev von Liliencron)

Wie sollten wir geheim sie halten (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 4; Text: Adolf Friedrich von Schack)

PAUSE

Gustav Mahler (1860-1911):

  1. Rheinlegendchen (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  2. Um schlimme Kinder artig zu machen (aus „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“; Text: Anon.)
  3. Wer hat dies Liedlein erdacht (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  4. Ablösung im Sommer (aus „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“; Text: Anon.)
  5. Es sungen drei Engel einen süssen Gesang (aus „Des Knaben Wunderhorn“; Text: Anon.)
  6. Ich atmet‘ einen linden Duft (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  7. Liebst du um Schönheit (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  8. Blicke mir nicht in die Lieder (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)
  9. Ich bin der Welt abhanden gekommen (aus „Fünf Lieder nach Texten von Friedrich Rückert“; Text: Friedrich Rückert)

Richard Strauss

  1. Leises Lied (aus „Fünf Lieder“, op. 39, Nr. 1; Text: Richard Dehmel)
  2. Wozu noch, Mädchen (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 1; Text: Adolf Friedrich von Schack)
  3. Breit über mein Haupt (aus „Sechs Lieder aus Lotosblätter“, op. 19, Nr. 2; Text: Adolf Friedrich von Schack)
  4. Ich schwebe (aus „Fünf Lieder“, op. 48, Nr. 2; Text: Karl Friedrich Henckell)
  5. Heimliche Aufforderung (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 3; Text: John Henry Mackay)
  6. Ruhe, meine Seele (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 1; Text: Karl Friedrich Henckell)
  7. Morgen (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 4; Text: John Henry Mackay)
  8. Cäcilie (aus „Vier Lieder“, op. 27, Nr. 2; Text: Heinrich Hart)
Bildnachweis: Titelbild ©Julia Wesely, alle anderen Fotos ohne Angabe sind privat von UG.

Tänzerische Rhythmen aus Amerika in der Waldbühne beim Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker

Freitag, 27. Juni 2025

Für viele Berlinerinnen und Berliner ist das alljährliche Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker ein Fixpunkt im sommerlichen Kulturkalender und so ist auch schon die Anfahrt in der S-Bahn zur Waldbühne ein Gemeinschaftserlebnis. Menschen mit Sitzkissen und Picknickkörben bevölkern die Abteile und bald schon trappelt eine schier endlose Kolonne von Klassik-Begeisterten vom Pichelsberg gen Olympiastadion.

Foto: privat (UG)

In diesem Jahr ist jedoch etwas neu: Wegen des traditionell hohen Andrangs gibt es das Konzert gleich zwei Mal, am Freitag und am Samstag. Trotzdem ist die Waldbühne heute am ersten Abend beinahe vollständig gefüllt. Das Wetter spielt mit, es sind zwar nur gut 20 Grad, aber der Regen vom Mittag hat sich verzogen. Man breitet die Decken aus und legt sich ein warmes Tuch um die Schultern.

Kurz vor Konzertbeginn um 20.15 Uhr kommen die Philharmoniker auf die Bühne und heißen ihr Publikum mit einer gemeinschaftlichen La-Ola-Welle willkommen. Jetzt ist allen warm.

Das südamerikanische Flair setzt sich fort im ersten Stück des Abends: Kauyumari von Gabriela Ortiz. Das schwungvolle Stück wirkt cineastisch, die Rhythmen klingen wie das Trappeln von Pferden, man fühlt sich in eine südamerikanische Steppe versetzt.

Musikalisch ist der Abend tänzerischen Stücken aus Amerika aus dem 20. Jahrhundert gewidmet mit Komponistinnen und Komponisten aus Mexiko, Venezuela und Puerto Rico. Pulsierende Rhythmen aus dem Süden treffen auf nordamerikanische Folkmusik.

Das nächste Stück Danzón No. 8 „Homenaje a Maurice“ von Arturo Márquez ist eine Hommage an den Boléro von Maurice Ravel und hat doch seine ganz eigene Stimmung. Zunächst spielt die Solo-Oboe eine melancholische Melodie, nach und nach kommen immer mehr Stimmen aus dem Orchester dazu und die Musik steigert sich rauschhaft.

Unter der Leitung von Gustavo Dudamel beweisen die Berliner Philharmoniker, dass sie ein Orchester von Weltrang sind und begeistern mit einem nuancierten und brillanten Klang.

Nun folgen Old American Songs, First Set (Bearbeitung für Solostimme und Orchester) von Aaron Copland. Als Solist gibt der Bassbariton Ryan Speedo Green seinen Einstand in der Waldbühne. Der zweifache Grammy-Preisträger hat sich an der MET (Metropolitan Opera) in den letzten Jahren einen Namen gemacht und wurde von der New York Times als „the real showstopper“ gepriesen. Mittlerweile erobert er auch die europäischen Opernbühnen. Der Sänger interpretiert die Folksongs mit einer wohlklingenden Bronzestimme, die er beweglich und spielerisch einzusetzen weiß. Ein Highlight ist das letzte Lied für Kinder, in dem er Tiergeräusche nachmacht – so lässt er eine Kuh muhen, eine Ente schnattern und ein Pferd wiehern. Mit Schalk und Charme wickelt er sein Publikum um den kleinen Finger, das mitlacht und begeistert Beifall spendet.

Zum Schwelgen schön ist das Stück Santa Cruz de Pacairigua von Evencio Castellanos.

Nach der Pause geht es schwungvoll weiter mit Alegría von Roberto Sierra und jazzig mit Three Black Kings: Martin Luther King von Duke Ellington.

Den fulminanten Abschluss bilden die Symphonischen Tänze aus West Side Story von Leonard Bernstein. Hier wird auch mit den Fingern geschnippt im kämpferischen Duell der rivalisierenden Banden, die sich musikalisch mit schrägen Tönen gegenseitig herausfordern. Zwischendurch klingt das liebliche Thema von „Somewhere (There’s a Place for Us)“ des heimlichen Liebespaares Maria und Toni an, die von einem gemeinsamen Ort der Liebe träumen, der jedoch eine Utopie bleibt.

Ganz real ist die Begeisterung des Publikums bei der traditionellen Zugabe „Berliner Luft“ (von Paul Lincke) – hierbei wird ausgelassen mitgeklatscht, gepfiffen und gesungen und ein Meer von Lichtern macht das große Rund der Waldbühne zu einem magischen Ort.

Nach diesem wunderbaren Konzert geht man mit einem Lächeln auf den Lippen heim und freut sich schon auf das Wiedersehen im nächsten Sommer.

Mein Name ist Hase – das Langohr in Literatur und Kunst

Wegen Ostern ist der Hase gerade allgegenwärtig: In schokoladiger Form und als Dekoration. Er ist fester Bestandteil unseres österlichen Brauchtums, obwohl er mit dem christlichen Fest im engeren Sinne nichts zu tun hat. Doch es ist belegt, dass in Europa spätestens seit dem 17. Jahrhundert der Osterhase als Symbol des Frühlings und der Fruchtbarkeit zum Überbringer der (bunten) Ostereier gemacht wurde – die gerne in spielerischer Weise für Kinder versteckt werden. Das Ei wiederum steht ebenfalls für Fruchtbarkeit, neues Leben und Wiedergeburt.

Der Hase im Volksmund

Der Hase ist jedoch auch jenseits des Osterfestes fest in unserer Kultur verankert. Das zeigt sich bereits an der Sprache, denn das Langohr findet sich in einigen Redewendungen und Sprichwörtern wieder.

Jeder hat schon den Ausspruch verwendet: „Das ist ein Angsthase“ oder „Er / sie ist ein Hasenfuß“ oder „Er / sie hat ein Hasenherz“.

Kaum ein anderes Tier wird so sehr mit Ängstlichkeit assoziiert, wie der Hase. Das liegt sicherlich daran, dass dieses gutmütige und scheue Geschöpf sich in der Natur schnell versteckt, wenn ihm ein anderes Wesen näherkommt. Daran tut der Hase gut, denn er hat viele Fressfeinde wie zum Beispiel den Fuchs, Wolf, Luchs, Hund und Katze. Besonders die Jungtiere fallen häufig den Greifvögeln und Eulen zum Opfer.

Der größte Feind des Hasen ist jedoch der Mensch, der ihn mit seinem Gewehr gnadenlos und manchmal aus purer Freude am Töten jagt. Davon zeugen einige eindrucksvolle Gemälde aus dem Barock, in denen tote Hasen als Jagdtrophäe gezeigt werden – der Jäger ist in diesen Stillleben abwesend.

Kennst du den Spruch: „Viele Hunde sind des Hasen Tod“?

Diese Weisheit besagt, dass der Einzelne sich gegen eine Mehrheit nicht wehren kann. Wobei es dem Hasen doch öfters gelingt, Haken schlagend seinem Feind zu entkommen. So schätzen wir an ihm seine Geschicklichkeit und seine Cleverness. Er ist flink und wendig.

Einerseits wird der Hase sprichwörtlich gerne für Unwissenheit und Unschuld herangezogen, wie im Ausspruch „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ zum Ausdruck kommt. Doch dahinter steckt selten echte Unwissenheit, sondern eher eine scherzhafte Naivität oder vorgetäuschte Ahnungslosigkeit.

Andererseits trauen wir dem „alten Hasen“ einige Weisheit zu:

Da liegt der Hase im Pfeffer“, sagen wir, wenn der entscheidende Punkt gemeint ist.

Ich weiß, wie der Hase läuft“, drückt große Erfahrung aus.

Der „alter Hase“ ist in der Natur nämlich die Ausnahme – wenn ein Hase alt wird, dann muss er wohl sehr klug und erfahren sein. Zwar können Feldhasen bis zu 12 Jahre alt werden. Und durch die hohe Fruchtbarkeit bringen Hasenweibchen mehrmals jährlich Junge zur Welt, wobei ein Wurf aus bis zu fünfzehn Tieren besteht. Doch über die Hälfte der Jungtiere werden kein Jahr alt.

Der scheue Hase ist auch ein Symbol für die ungezähmte Natur und unberührte Wildnis:

Wer sagt: „Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“, der meint einen Ort fernab der Zivilisation, weit draußen in der Wildnis.

Der Hase in der Literatur

Der Hase hat die Menschen zu vielen Geschichten inspiriert. Besonders in Märchen und Kinderbüchern taucht er immer wieder auf.

Ein echter Kinderbuchklassiker ist „Die Häschenschule“. In dieser nostalgischen Bilderbuchgeschichte mit Versen von Albert Sixtus und Zeichnungen von Fritz Koch-Gotha begleiten wir Hasengretchen und Hasenhans auf ihrem Weg in die Häschenschule im Wald, wo sie alles beigebracht bekommen, was ein richtiger Hase wissen sollte: Neben Pflanzenkunde und Gartenarbeit lernen die Hasenkinder das Hakenschlagen, damit sie dem gefährlichen Fuchs entkommen können.

Ein guter Läufer ist auch der Hase im bekannten Schwank vom „Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“. Die Erzählung findet sich seit 1843 in den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Doch der Ursprung der schelmischen „Lügengeschichte“ liegt im plattdeutsches Volksmärchen: „Dat Wettlopen twischen den Hasen un den Swinegel up de lütje Heide bi Buxtehude“, das im Jahr 1840 im Hannoverschem Volksblatt von Wilhelm Schröder erschienen ist und auf Hochdeutsch als „Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“ im Deutschen Märchenbuch von Ludwig Bechstein ab 1853 abgedruckt wurde.

In diesem Tierschwank macht sich der vornehme Hase (der für den Grundbesitzer steht) über die kurzen Beine des Igels (der den „kleine Mann“ bzw. Bauern repräsentiert) lustig. Jener fordert seinen Spötter zum Wettlauf heraus und besiegt ihn mit Hilfe einer List. Die Moral von der Geschichte: Man sollte sich nicht über vermeintlich unterlegene Leute lustig machen.

In „Alice im Wunderland“ des britischen Schriftstellers Lewis Carroll, das im englischen Original („Alice’s Adventures in Wonderland“) erstmals im Jahr 1865 erschien, spielen Kaninchen und Hase tragende Rollen.

Die Abenteuer von Alice beginnen, wenn sie entgegen einer Warnung dem weißen Kaninchen hinterherläuft und ihm in seinen Bau folgt, in dem sie in die Tiefe stürzt und in einer fantastischen Welt landet.

Da die surrealen Erlebnisse von Alice fast wie Halluzinationen wirken, wird das weiße Kaninchen häufig als Symbol für Drogenkonsum interpretiert. So kann man im Albinokaninchen mit seinem weißen Fell und den roten Augen auch die Umkehrung der Farben des Fliegenpilzes sehen.

Doch im Kosmos von Lewis Carroll ist das weiße Kaninchen auch als Einladung zu verstehen, ungelösten Rätseln und Fragen nachzugehen. Seine weiße Farbe repräsentiert nicht die Unschuld, sondern vielmehr einen Zustand des „Noch-nicht-Wissens“.

Im weiteren Verlauf der Geschichte sucht Alice den „Märzhasen“ auf, der zusammen mit dem Hutmacher eine Teegesellschaft abhält. Beide gebärden sich so verrückt, das Alice bald die Flucht ergreift. Diese eindrucksvolle Szene hat sich im englischen Sprachgebrauch niedergeschlagen, so dass „mad as a march hare“ („verrückt wie ein Märzhase“) ein bekanntes Sprichwort geworden ist.

Der biologische Hintergrund des verrückten Hasen ist in der Paarungszeit zu finden, die alljährlich im März beginnt. Dann benehmen sich die Hasen besonders lebhaft und ausgelassen. Insbesondere die Hasenmännchen stellen sich im Kampf um die Gunst des Weibchens auf ihre kräftigen Hinterbeine und boxen einander mit den Vorderpfoten, was ziemlich ulkig und durchaus verrückt aussieht.

Ein weiterer Kinderbuchklassiker ist „The Velveteen Rabbit“ (Das Samtkaninchen) von Margery Williams aus dem Jahr 1922 mit Illustrationen von William Nicholson – eine Geschichte, die schon viele Generationen von Kindern (insbesondere im englischsprachigen Raum) begeistert hat.

Auch in die Literatur für Erwachsene hat es der Hase bzw. das Kaninchen geschafft:

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ ist ein Roman von Judith Kerr aus dem Jahr 1971 (englischer Originaltitel: When Hitler Stole Pink Rabbit), in dem eine jüdische Familie aus Berlin vor den Nationalsozialisten fliehen muss. Hierbei muss die 9-jährige Anna ihr rosa Plüschkaninchen notgedrungen zurücklassen. Ein Klassiker der Jugendbuchliteratur. Der Roman wurde im Jahr 2019 unter der Regie von Caroline Link verfilmt.

Buchverfilmung aus dem Jahr 2019 unter der Regie von Caroline Link.

Ganz aktuell ist die „Hasenprosa“ von Maren Kames (2024), die im letzten Jahr auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024 stand.

Das Kaninchen im FILM

Eine legendäre Szene mit einem weißen Kaninchen im Film darf in dieser Zusammestellung nicht fehlen: In „Fatal Attraction“ („Eine verhängnisvolle Affäre“) von Adrian Lyne aus dem Jahr 1987 mit Michael Douglas (Anwalt und Familienvater Dan) und Glenn Close (alleinstehende Verlegerin Alex) geht es um Ehebruch. Dan hat eine kurze Affäre mit Alex, die von ihm schwanger wird und die Beziehung fortführen will, obwohl Dan sie zurückweist und sich wieder reumütig ganz seiner Frau und kleinen Tochter widmen will. Alex beobachtet, wie die Tochter ein weißes Kaninchen geschenkt bekommt – ein Symbol für kindliche Unschuld und auch die (vermeintlich) heile Familie. Nach einer erneuten Abfuhr wird die labile Alex von Verzweiflung und Rachegefühlen gesteuert und schleicht sich auf das Grundstück der Familie von Dan. Als diese von einem Ausflug zurückkehrt, steht ein blubbernder Kochtopf auf dem Herd und die Tochter findet ihr Kaninchen nicht mehr im Stall… Die Szene kann man sich hier ansehen (Achtung: nichts für schwache Nerven).

Dieser Szene verdankt der amerikanische Wortschatz einen neuen Ausdruck: „She is a bunny boiler(Kaninchen Koch/Köchin). Er steht für eine zurückgewiesene und rachsüchtige Frau.

Der Hase in der Kunst

Wer kennt nicht den ikonischen „Feldhasen“ von Albrecht Dürer? Der Künstler hat das Aquarell im Jahr 1502 erschaffen, nicht für eine Galerie, sondern als Schaustück für seine Werkstatt in Nürnberg. Mit seiner kunstvollen Naturstudie (besonders die Textur der Haare ist außergewöhnlich) wollte er potentiellen Auftraggebern zeigen, wozu er fähig war.

Zu diesem Zeitpunkt war Albrecht Dürer (1471-1528) schon ein Star unter den Malern der Renaissance und nur er konnte es sich erlauben, ein solch gewöhnliches Motiv wie einen Hasen zu einem Bild mit dem Duktus der Porträtmalerei zu erheben. Seine Zeitgenossen waren derartig beeindruckt, dass vom „Feldhasen“ viele Wiederholungen und Nachahmungen angefertigt wurden (schon um 1600), so z.B. vom Maler Hans Hoffmann.

Dürer hat dank einer neuartigen Drucktechnik die ersten Verkaufsschlager der Kunstgeschichte produziert und seine Werke somit weltweit bekannt gemacht.

Heute findet man Dürers ikonischen Hasen in jedem Museumsshop auf Postkarten, Postern, Tassen, Sofakissen, Socken – auf fast allem, was sich bedrucken lässt.

Im Giftshop der Albertina in Wien (selbst fotografiert 2023).

Das Original befindet sich im Besitz der Albertina in Wien. In der Dauerausstellung ist der „Feldhase“ jedoch nur als Kopie zu sehen, trotzdem ist es eines der prominentesten Werke in der Schau. Das Original wird zum Schutz des empfindlichen Werkes nur alle fünf Jahre für kurze Zeit ausgestellt.

Auch zeitgenössische Kunstschaffende haben das berühmte Hasen-Motiv von Dürer neu interpretiert:

Zum 500. Jubiläums von Albrecht Dürers ebenfalls weltberühmten Aquarell „Das Große Rasenstück“ (1503) verwandelte Ottmar Hörl im Jahr 2003 den Nürnberger Hauptmarkt mit rund 7.000 grünen Dürer-Hasen in „Das große Hasenstück“.

Einer dieser Hasen ziert sogar den Würstel-Stand an der Albertina in Wien.

Selbst fotografiert, Wien im Juni 2024.

Eine weitere Hommage des Künstlers fand 2015 in Korea mit zwölf „Dürer-Hasen“ als roséfarbenen Skulpturen statt.

Auch für Joseph Beuys hatte der Hase eine besondere Bedeutung und er hat ihn quasi zu seinem Wappentier erkoren. In einer legendären Performance „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ am 26. November 1965 in der Galerie Schmela in Düsseldorf zeigt und erklärt er einem toten Hasen seine Kunst. Dabei trägt Beuys seinen leblosen Begleiter durch die Galerie, zeitweise kriecht er mit ihm auf allen Vieren über den Boden, dessen langen Ohren mit dem Mund aufrecht haltend. Dem Hasen spricht er somit mehr künstlerisches Verständnis zu, als den menschlichen Betrachtern seiner Kunst – so jedenfalls die provokative Aussage dieser Performance. Hier ein kurzes Video dazu.

Denkst du auch, dass der Hase ein Kunstverständnis hat? Jedenfalls hat er viele Kunstschaffende zu großartigen Werken inspiriert.

Ich hoffe, ich konnte dir die vielen Facetten des Hasen ein wenig näherbringen.

Was verbindest du mit dem Hasen? Ich freue mich über deine Eindrücke in den Kommentaren.

Die beliebtesten Romance-Tropes in New Adult Romanen

In Romances für die Zielgruppe New Adult ( 17 bis 27-Jährige) ist es mittlerweile üblich, sowohl bei der Konzeption der Geschichte als auch bei der Vermarktung bestimmte gängige „Tropes“ zu verwenden. Tropes sind wiederkehrende Muster, Motive oder Themen in Romanen.

Im Folgenden möchte ich euch die beliebtesten Tropes in Liebesromanen vorstellen.

Über das Liebespaar (Beziehung und Charakter)

Enemies to Lovers / Haters to Lovers

Friends to Lovers

Strangers to Lovers

Grumpy meets Sunshine

Opposites Attract

From different Worlds

Brother’s Best Friend

Step Siblings (Stiefgeschwister)

Childhood Friends

Forbidden Love

Love Triangle

Second Chance

Slow Burn

He falls first

Soulmates

Insta Love (Liebe auf den 1. Blick)

Age Gap

Dark Past / Dark Secret

Hidden Identity

Morally Grey

Bad Boy

Broken Hero / Emotional Scars

Found Family

Single Parent (Single Dad / Single Mom)

Plot-Elemente

Fake Dating

Forced Proximity

Only One Bed

One Night Stand

Engagement / Marriage of Conveniance

Accidental Pregnancy

Secret Baby

Genre und Schauplatz

College Romance

Dark Academia

Dark Romance

Royal Romance (z.B. Britisches Königshaus)

Romantic Suspence

Celebritiy Romance / Rockstar Romance

Sports Romance

Boss Romance

Workplace Romance

Smalltown Romance

Love and Landscape

Holiday Romance (spielt zur Weihnachtszeit)

Bei Zielgruppe jünger als 17 Jahre im Genre Young Adult (Jugendroman)

Coming of Age (Entwicklungsroman über das Erwachsenwerden)

Not like other Girls (die Protagonistin ist z.B. eine „graue Maus“ oder besonders kratzbürstig oder besonders begabt) 

Ich hoffe, diese Auflistung ist für euch erhellend und vielleicht sogar inspirierend.

Zur Vertiefung: Eine schöne Auflistung dieser und weiterer Romance-Tropes mit beispielhaften Roman-Titeln findest du auf der Seite von Piper.

Weitere TROPES auch über Liebesgeschichten hinaus und aus der Film-Welt findet ihr in meinem weiteren Blogartikel:

Wenn die Prinzessin zur Magd wird und die Dragqueen der großen Liebe entgegen stöckelt – beliebte Tropes in Literatur und Film

 

Jahresrückblick 2024 – ein Jahr voller Hoffnungen und nicht ohne Enttäuschungen

Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Anlass genug für mich, eine Rückschau zu halten, was in diesem Jahr in meinem Autorinnenleben so alles passiert ist.

Buch-Veröffentlichungen

Die ersten Monate waren ziemlich ereignisreich und voller Spannung mit dem Erscheinen von „Das kleine Kräutercafé – Waffelherzen“ (Band 2) im Januar und „Pralinenküsse“ (Band 3) im März. Hierbei wurde ich durch eine Blog-Tour von wunderbaren Bloggerinnen unterstützt. Für mich sind die begeisterten Stimmen meiner Leser:innen die schönste Belohnung bei jeder Veröffentlichung. Dass meine Romane nicht jeden Geschmack treffen können, habe ich inzwischen auch gelernt. Die eine oder andere schlechte Rezension musste ich wegstecken.

Im Sommer habe ich mir selbst einen Traum erfüllt und zusammen mit einer professionellen Sprecherin ein Hörbuch zu „Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen produziert und im September herausgebracht.

Lilli Meinhardis – Das kleine Kräutercafé
Lilli Meinhardis auf der Leipziger Buchmesse am DELIA-Stand.
LESUNGEN

Ein besonders schöner Aspekt des Veröffentlichens ist für mich immer der Kontakt mit meinen Leserinnen und Lesern. Dieser ist bei meinen Lesungen besonders gut ausgeprägt. Dieses Jahr habe ich auf der Leipziger Buchmesse aus „Waffelherzen“ vorgelesen und zwei Lesungen in Berlin mit „Im Takt ihrer Träume (Arabella Meran) gehalten.

Arabella Meran liest im Kulturhaus Karlshorst aus „Im Takt ihrer Träume“.
Arabella Meran bei der Lesung aus „Im Takt ihrer Träume“ im AWO Margaretentreff im Oktober 2024.
Schreiben, schreiben, schreiben

Ab April ist es dann stiller geworden: Ich habe mich zum Schreiben zurückgezogen und bis zum Jahresende zwei neue Manuskripte geschrieben und überarbeitet und ein drittes fast fertiggestellt. Es handelt sich um zeitgenössische Liebesromane, die an einem Sehnsuchtsort spielen (den ich jeweils schon selbst bereist habe). In meinen Geschichten geht es um den Ausbruch aus dem Alltagstrott und die Suche nach den verborgenen Wünschen und Bedürfnisse, nach Identität und Herkunft – und letztlich darum, mutige Entscheidungen zu treffen, um den eigenen Lebenstraum zu verwirklichen – bestenfalls mit dem richtigen Partner an ihrer Seite.

Wenn die Inspiration auf fruchtbaren Boden fällt und etwas Lebendiges und Schönes daraus wächst.

Hierbei habe ich wieder gemerkt, wie viel Freude mir diese schöpferische Phase macht: Wenn ich eine Geschichte neu entwickele und aufschreibe, in meinen Ideen schwelge und mich noch nicht der Kritik (von Agent:in, Verlagslektor:in, Lesenden) stellen muss, wenn die Geschichte noch ganz mir alleine gehört und ich mir in meinen Träumen die schönsten Szenarien ausmalen kann („Diese Geschichte wird ganz viele Lesende erreichen und ein Bestseller werden) – ohne, dass die harsche Realität des Buchmarktes dazwischenfunkt.

Eine erste Belohnung für meine neuen Manuskripte habe ich durch meine bewährte Testleserin Dorit erhalten, die meine Geschichten gelesen und geliebt hat – wobei sie mir wie immer sehr wertvolle konstruktive Kritik gegeben hat, die ich in der Überarbeitung umgesetzt habe.

Ziel

Das Ziel für meine neuen Manuskripte lautet: Eine Veröffentlichung in einem großen Publikumsverlag, nicht nur im eBook-Bereich (wie bei meinen ersten 5 Romanen). Endlich möchte ich meine Bücher auch im stationären Buchhandel auf den Tischen liegen sehen. Das wäre für mich die nächste Stufe in meiner Autorin-Karriere.

Stufe für Stufe geht es hoffentlich nach oben in der Autorin-Karriere.
Erster Schritt in Richtung Verlagsvertrag: Eine gute Agentur

Um diesem Ziel näher zu kommen, bin ich im Sommer mit meinen zwei neuen Stoffen auf Agentursuche gegangen und schätze mich glücklich, mit Thomas Montasser einen tollen neuen Agenten gefunden zu haben. Er hat meine Manuskripte auf der Frankfurter Buchmesse allen großen Publikumsverlagen (die zu meinem Genre passen) angeboten. Bisher liegt allerdings noch kein Verlags-Angebot vor. Ich warte und hoffe täglich auf gute Nachrichten…

Realitäts-Check

Was sich in 2024 nicht erfüllt hat: Für meine neuen Manuskripte habe ich noch keinen Verlag gefunden. In 2025 wird es also voraussichtlich erst mal keine neuen Veröffentlichungen von mir geben. Hoffentlich dann jedoch wieder in 2026 und in den folgenden Jahren.

Fakt bleibt jedoch, dass ich ein ganzes Jahr lang mit vollem Einsatz gearbeitet habe, ohne einen finanziellen Lohn zu erhalten oder die verlässliche Aussicht auf eine Veröffentlichung.

Blogartikel

Immerhin gibt es auf meinem Blog keine Gate-Keeper und wenigstens hier kann ich meine Texte sofort veröffentlichen. Ich war in 2024 wieder einige Male als Kultur-Journalistin unterwegs und habe wunderbare Konzerte und eine Lesungs-Show besucht und anschließend einen Artikel darüber verfasst. Auch zu meinen eigenen Lesungen und zur Leipziger Buchmesse habe ich Beiträge erstellt. Hier meine Kultur-Reportagen und Beiträge aus dem Autorinnen-Leben.

Beim Rheingau-Musikfestival in Wiesbaden im Mai 2024.
Recherche-Reise

Auch in diesem Jahr bin ich wieder an den Schauplatz meines neusten Roman-Projekts gereist, um mir vor Ort jede Menge Eindrücke und Inspiration zu holen: Im Oktober war ich in Turin und in Alba im schönen Piemont.

Am Bahnhof von Turin mit Zugticket nach Alba.
In den Weinbergen von Alba
Mein Jahr 2024 in Zahlen:

2 Romane veröffentlicht („Das kleine Kräutercafé“ Band 2: „Waffelherzen“ und Band 3: „Pralinenküsse“)

1 Hörbuch herausgebracht („Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen“)

3 neue Manuskripte geschrieben

12 Blogartikel verfasst

3 Lesungen gehalten („Im Takt ihrer Träume“ als Arabella Meran)

zum 1. Mal auf der Leipziger Buchmesse mit Signierstunde beim DELIA-Stand

1 neue Agentur gefunden

1 Recherche-Reise nach Italien

Lilli Meinhardis / Arabella Meran bei der Leipziger Buchmesse 2024 am DELIA-Stand.

Wie war dein Jahr 2024? Stehen für dich die positiven Erlebnisse im Vordergrund oder lässt du dich (zuweilen) von Enttäuschungen herunterziehen?

Das Phänomen Fitzek – wie der Thriller-Autor es schafft, ganze Arenen zu füllen

Uber-Arena Berlin, 14.12.2024

An diesem Abend strömen 17.000 Menschen in die seit Monaten ausverkaufte Uber-Arena in Berlin. Doch weder ein Pop-Konzert noch ein Sport-Event ist die Attraktion, sondern der deutsche Thriller-Autor Sebastian Fitzek.

Zur Promo für seinen neusten Nr. 1 Spiegel-Bestseller „Das Kalendermädchen“ gibt es für seine Fans „Die größte Thriller Tour der Welt“, die am 28. November in Köln gestartet ist und in zahlreichen deutschen Metropolen (Dortmund, Mannheim, München u.a.) gastiert hat – jedes Mal in einer Arena mit um die 15.000 Plätzen, jedes Mal ausverkauft. Berlin ist nun die letzte Station auf seiner Tour, zudem ein Heimspiel, denn der Autor lebt in der Hauptstadt.

Wie schafft dieser Mann das bloß? Ich bin selbst Autorin und schreibe historische und zeitgenössischen (Liebes-) Romane und bin froh, wenn zu meinen Lesungen 15 Leute kommen. Ich bin allerdings noch ganz neu in diesem Metier. Aber auch Kolleginnen, die schon länger im Buchgeschäft sind und sogar Spiegel-Bestseller aufweisen können, bestreiten ihre Lesungen in Buchhandlungen, Bibliotheken und anderen kleinen Sälen mit 20 bis 50 Zuhörenden.

Was macht Sebastian Fitzek also zum Superstar unter den Autor:innen? Ist es das Thriller-Genre? Ist es seine Persönlichkeit? Ist es das Marketing seines Verlags?

Sebastian Fitzek hat sein Debüt „Die Therapie“ im Jahr 2006 veröffentlicht (bei Knaur bis heute) und hat sich über die Jahre kontinuierlich eine treue Leserschaft aufgebaut. Seit einiger Zeit ist sein Name zur Marke für sein Genre geworden. Thriller made in Germany? „Fitzek“, ist meist der erste Name, der fällt.

Mit seinem neusten Wurf „Das Kalendermädchen“ hat Fitzek alle bisherigen Verkaufs-Rekorde gebrochen. Im Branchenmagazin „Börsenblatt“ konnte man am 4. November 2024 lesen:

„Mit über 160.000 verkauften Exemplaren in den ersten wenigen Tagen nach Veröffentlichung am 23. Oktober habe Fitzek mit „Das Kalendermädchen“ jeden bisherigen Erfolg getoppt, so Droemer Knaur in einer Mitteilung. Es sei nicht nur das 18. Buch von Sebastian Fitzek, das unmittelbar nach Veröffentlichung direkt auf Platz 1 landete (in KW 43; auch in der aktuellen KW 44 steht es auf Platz 1 unserer Belletristik-Charts Hardcover), sondern auch einer der erfolgreichsten Titel seit Beginn der Media-Control-Aufzeichnungen im Jahr 2011.

Mit inzwischen über 20 Millionen verkauften Büchern gehört Sebastian Fitzek seit Jahren zu den erfolgreichsten Autoren Deutschlands. Der Verlag hat so auch ordentlich die Werbetrommel für den neuen Titel gerührt.“

Ist Fitzek konkurrenzlos im Spannungssegment?

Natürlich gibt es im deutschsprachigen Raum viele andere Autor:innen, die fesselnde Spannungsromane schreiben. So zum Beispiel Arno Strobel (er veröffentlicht seine Psycho-Thriller im Fischer Verlag). Im Krimi-Bereich ist Nele Neuhaus sehr bekannt und erfolgreich. Doch keine/r von ihnen geht auf große Arena-Tour, darin ist der deutsche „King of Thrill“ einzigartig.

Ich komme also an diesem Abend in die Uber-Arena in Berlin, um dem Phänomen Fitzek auf den Grund zu gehen. Ein Geständnis vorab: Ich habe noch keinen einzigen Roman von ihm gelesen!

Wobei ich als Jugendliche und in meinen 20er Jahren Bücher im Horror- und Thriller-Genre geradezu verschlungen habe (insbesondere alles von Stephen King). Aber mittlerweile hat sich mein Lesegeschmack geändert und ich bin zartbesaitet geworden und mag keine grausamen und perversen Inhalte mehr lesen (davon bekomme ich schon genug, wenn ich die Nachrichten einschalte).

Trotzdem wage ich mich aus meiner Komfortzone und hoffe, dass es nicht zu gruselig wird – es ist zudem eine multimediale Show angekündigt, was mich zusätzlich bangen lässt. Bitte keine ekligen und verstörenden Bilder – ich meide solche im (Heim-) Kino so gut es geht.

Auf in die Arena

Nach der Einlasskontrolle gelange ich gegen 19.30 Uhr ins Foyer, wo an beiden Seiten große Merchandise-Shops platziert sind. Einige Bücher sind wie wertvolle Schaustücke in Glasvitrinen dargeboten, es gibt auch Tassen, Taschen und T-Shirts. Die kommerzielle Vermarktung läuft auf Hochtouren.

Als ich in den Saal komme, sind die Sitze und Ränge schon prall gefüllt. Die Eintrittskarten kosten stolze 49 Euro aufwärts. Ich habe allerdings eine Pressekarte erhalten und nehme meinen Platz in Reihe 18 im Parkett am Rand ein. Über der 360-Grad-Bühne ist ein Ring aus Leinwänden angebracht, über die Werbung flackert: Buchtrailer von Fitzek und Audible-Angebote werden einem hier präsentiert.

Um 20 Uhr geht es los mit einer Ansprache des Regisseurs, der erklärt, dass am heutigen Abend ein Dutzend Kameras im Einsatz sind, da die Show für das TV aufgezeichnet wird. Auch gäbe es im Laufe des Abends einige Überraschungen…

Wie bei einem Pop-Konzert hat Fitzek eine Vorband, die das Publikum in Stimmung bringt: Die A capella Gruppe „Naturally 7“ aus L.A. besteht aus sieben Musikern, die alle Sounds mit ihren Stimmen hervorbringen, zusätzlich zum Gesang imitieren sie auch eindrucksvoll Instrumente wie Schlagzeug, Trompete, Posaune und E-Gitarre. Insgesamt haben sie einen Soul-ig melancholischen Klang, der auch später, wenn sie die Lesung von Fitzek untermalen, gut zur düsteren Stimmung passt. Bei einem getragenen Song erstrahlt ein Meer aus Handylichtern, die von den Zuschauenden zur Musik geschwenkt werden – fast schon gefühlsduselig. Dabei sind die Leute doch gekommen, um sich zu gruseln.

Dann läuft ein Trailer für „Kalendermädchen“ auf den Videoleinwänden ab, in dem der „Pizza-Notruf“ einer Frau in Gefahr durchgespielt wird, hierbei agiert Sebastian Fitzek als Polizist, der den Notruf entgegennimmt. Gleichzeitig rieselt Kunstschnee von der Decke, um das Publikum in winterliche Stimmung zu bringen. Der Anruf bricht mit einem Hilfeschrei der Frau ab und der Polizist bricht auf, um das Opfer zu retten. Man sieht ihn seine Jacke überstreifen und plötzlich ist es der leibhaftige Autor, der von Kameras umringt in die Arena einmarschiert.

Ein filmreifer Auftritt, wenn auch nicht ganz so spektakulär wie seinerzeit Michael Jackson, der mit Feuerfontänen aus dem Untergrund auf die Bühne katapultiert wurde oder durch die Lüfte angeflogen kam und damit Maßstäbe für den großen Show-Entrance gesetzt hat. Fitzek ist eben doch kein Las Vegas Magier oder Popstar. Er bleibt auf dem Teppich und ist mit beiden Füßen im realen Leben verwurzelt.

Der Erfolgs-Autor wird mit herzlichem Applaus von seinem Publikum begrüßt und liest in den folgenden zwei Stunden drei Passagen aus „Kalendermädchen“ vor und lässt in seinen unterhaltsamen Zwischenmoderationen einen Blick hinter die Kulissen in seine Schreibwerkstatt zu.

Der 53-Jährige wirkt wie der nette Mann von nebenan, ein sympathischer Jedermann, der weder mit seinem Aussehen noch mit seinem Auftreten besonders hervorsticht. Aber Moment mal: Sagen das die Nachbarn nicht immer über Serienkiller? „Er war unauffällig und freundlich?“

Ja, Fitzek ist ein Serientäter – allerdings nur im Schreiben von Bestsellern.

Die Stärke von Fitzek bei seiner Lesungs-Show ist, dass er seinen Texten nicht selbst im Weg steht durch eitles Selbstdarsteller-Gehabe (wie bei so manchen TV-Comedians, die ebenfalls in Arenen auftreten). Fitzek ist ganz in Schwarz gekleidet, nur auf seinem T-Shirt ist ein weißer Totenkopf sichtbar (das Shirt gibt es natürlich auch im Fan-Shop zu kaufen). Er tritt selbstsicher auf und kann gut frei sprechen, das große Publikum schüchtert ihn nicht ein. Auch ist er regelmäßig zu Gast in diversen TV-Talkshows. Trotzdem kommt er eher zurückhaltend und bescheiden herüber, er wirkt nicht selbstverliebt. Wenn er aus seinen Büchern liest, tritt er selbst als Person zurück und lässt den Text wirken. So werden ich als Zuhörende ganz von der Geschichte gepackt.

In Fitzeks Zwischenmoderationen ist ein Leitthema des Abends der Zufall. Der Autor erzählt launige Anekdoten aus seinem Leben, in denen sich höchst unwahrscheinliche Zufälle ereignet haben. Im Roman würde ihm das niemand glauben. Eine gute Geschichte muss jedoch glaubwürdig sein, der Täter muss eine überzeugende Motivation für seine böse Tat haben und man muss verstehen, was ihn zu solch einem Monster gemacht hat.

Einen kurzen Gastauftritt hat der brasilianische Thriller-Autor Chris Carter, der einen ungewöhnlichen Lebenslauf hat (als junger Mann war er z.B. Stripper, später Kriminalpsychologe in den USA) und davon erzählt, wie er einen Serien-Killer im Gefängnis interviewt hat, der eine ganze Familie ausgelöscht hat, weil sie „eben zuhause waren“. Das würde im Roman nicht funktionieren – wir Lesenden erwarten, dass es ein inneres Motiv gibt, damit die grausame Tat nicht willkürlich erscheint. Irgendeinen Sinn muss sie haben, auch wenn er pervers ist.

Das Element des Zufalls spielt Fitzek auch im wortwörtlichen Sinne aus, denn er schlägt mit einem Tennisschläger Gummibälle ins Publikum und der Zufall entscheidet, wer diesen fängt (und vielleicht etwas gewinnt).

Aus den Lesepassagen wird für mich als Autorin auch erkennbar, mit welchen dramaturgischen Mitteln Fitzek arbeitet. Es geht von Anfang an um alles: Das Leben eines Kindes steht auf dem Spiel – die 11-jährige Alma leidet an Leukämie und muss sterben, wenn nicht schnellstens ein passender Knochenmarkspender gefunden wird. Ihre Adoptivmutter Olivia bekniet deshalb die Adoptionsstelle, ihr den Namen der leiblichen Mutter des Mädchens zu verraten, die vielleicht die Rettung sein könnte. Diese verweigert (zunächst) die Auskunft. Denn falls die Identität der Mutter gelüftet werden würde, drohe ihr Todesgefahr.

Fitzek lässt seine Figuren also schon von der ersten Seite an am Abgrund stehen, die Fallhöhe ist hoch und die „stakes“ (was auf dem Spiel steht) ebenso. Zudem läuft den Bedrohten die Zeit davon – sie müssen also schnell ins Handeln kommen und viel dabei wagen.

Übrigens entscheidet an diesem Abend nicht nur der Zufall, sondern auch der Wille des Publikums über das Programm: Denn einige Male stehen zwei Kalendertürchen zur Auswahl, hinter denen sich eine Anekdote verbirgt und die Leute dürfen per Applaus-Barometer abstimmen, welche Geschichte sie hören wollen.

Auch über den Buchmarkt spricht der Autor – so toll die „Buchparty“, die wir an diesem Abend gemeinsam feiern auch ist, die Zahl der Lesenden in Deutschland ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Er überlegt, wie er mit seinen Büchern vielleicht neue Zielgruppen erschließen kann. Die jungen Leute? Die Literaturbegeisterten?

Das Publikum darf wählen, ob sie die Passage mit Olivia im Adoptionsbüro noch einmal hören wollen: umgeschrieben in Jugendsprache oder im literarischen Stil. Die Jugendsprache gewinnt. Swag!

Auch die angepassten Buch-Cover mal für junge Leute und mal für Literatur werden auf der Leinwand gezeigt (für letzteres ein gelbes Reclam-Heft mit dem Titel „Die Muse…“).

Übrigen zeigt der Blick ins Publikum, dass die Fitzek-Fans überwiegend zwischen 30 und 50 Jahre alt und Männer und Frauen ungefähr gleich stark vertreten sind.

Das zweite Leitmotiv des Abends sind „urbane Legenden“. Fitzek erzählt einige dieser Legenden (die auch Eingang in seine Geschichten gefunden haben) und man darf sich fragen, ob diese wahr oder erfunden sind.

Eine Legende aus Osteuropa besagt zum Beispiel, dass auf einer bestimmte Telefonnummer (88888888) ein Fluch lastet und dass jede/r, die/der diese Nummer anruft, ein schreckliches Schicksal ereilt hat. Deshalb habe der Telefonanbieter diese Nummer aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Doch nach einem Inhaberwechsel sei sie nun wieder verfügbar…

Fitzek schlägt wieder den Gummiball ins Publikum und so wählt der Zufall ein junges Mädchen hinten im Parkett aus (zufälligerweise direkt neben mir, so dass ich die nachfolgenden Szene aus nächste Nähe miterleben kann). Der Autor hält dem Mädchen ein Handy hin und stellt sie vor die Wahl, ob sie es wagt, eben jene verflucht Nummer zu wählen. Das Girl hat die Furchtlosigkeit der Jugend auf ihrer Seite und wählt die Nummer. Auf den Leinwänden erscheint das Display und nach einigen Klingeltönen – im Publikum hält man gespannt die Luft an, was nun (Schreckliches) passieren mag – meldet sich eine Automatenstimme. „Die Nummer ist nicht vergeben“, sagt die Stimme in fremder Sprache. Erleichterung!

Als Preis für ihren Todesmut gewinnt das Mädchen die Möglichkeit, im nächsten Thriller von Fitzek einer Leiche ihren Namen leihen zu dürfen. Außerdem bekommt sie noch ein Jahres-Abo von Audible geschenkt. Ein bisschen Werbung zwischendurch muss wohl sein.

Doch es gibt auch ernste Momente: Fitzek zeigt Bilder aus seiner Kindheit und erzählt von seiner Mutter, die ihn in seinem Wunsch, Autor zu werden, unterstützt und fest an seinen Erfolg geglaubt hat – leider ist sie kurz vor seinem Debüt gestorben und hat den Durchbruch ihres Sohnes nicht mehr miterlebt. Auch nimmt der Autor voller Dankbarkeit Abschied von zwei alten Damen, die seine langjährigen Fans waren (Fotos und Todesanzeige werden auf der Leinwand gezeigt).

Auch hat sich Sebastian Fitzek im Zuge seiner Buchveröffentlichung für die DKMS für die Registrierung als Stammzellspender stark gemacht. Sein Einsatz hat Wirkung gezeigt, denn die DKMS konnte in den letzten Wochen einen spürbaren Anstieg von Menschen verzeichnen, die sich für eine Stammzellenspende haben typisieren lassen – diesen dankt der Autor. Es wird auch ein anrührenden Video gezeigt, in dem zwei Kinder von ihrer lebensrettenden „Blutsbrüderschaft“ berichten. Fitzek fordert auch das Publikum auf, sich als Spender zu registrieren. In diesem Engagement zeigt sich der private Mensch Fitzek, der offenbar das Herz am rechten Fleck hat und seine Popularität für einen guten Zweck einsetzt.

Kurz vor dem Finale kommt dann die Überraschung: Schauspielerin Bettina Zimmermann betritt die Bühne und überreicht dem (scheinbar) nichtsahnenden Fitzek 10 Goldene Schallplatten für seine Hörbücher (jedes Hörbuch hat sich über 100.000 Mal verkauft). Der Autor bedankt sich, wirkt aber nicht sonderlich beeindruckt. Er ist an seinen Erfolg gewöhnt.

Die Show endet mit einem letzten (grausigen) Leseausschnitt, in dem zwei Kinder von ihrer Schulleiterin gefoltert werden und der Vater ihren telefonischen Hilferuf nicht ernst nimmt. Ist manches Grauen so groß, dass es unglaubwürdig ist? Wie jedes Mal wird die Lesung von Bildern (hier von einer verlassenen Schule), Gesang und Lichtarrangement begleitet.

An die Show schließt sich eine 90-minütige exklusive Signierstunde an, für die sich Interessierte anmelden konnten, doch der Zufall wird entscheiden, wer ein Autogramm vom Bestseller-Autor bekommen wird – die Anzahl ist aus verständlichen Gründen limitiert.

Das Geheimnis des Erfolges

Nun komme ich zurück auf meine Ausgangsfrage. Wie schafft es der Autor, so viele Menschen mit seinen Büchern zu erreichen und zu begeistern? Offenbar trifft er den Massengeschmack, gehört zum Mainstream.

Unpolitisch zu sein, ist von Vorteil

Ein Vorteil seiner Bücher ist sicherlich, dass sie nicht politisch sind. Anders als zum Beispiel beim Bestseller-Autor Marc-Uwe Kling (bekannt durch seine Känguru-Geschichte, die Gesellschaftssatire sind), der kürzlich mit seinem ersten Thriller „Views auch auf Nr. 1 der Spiegel-Bestsellerliste landete. Doch er hat prompt einige 1-Sterne-Verrisse (auf diversen Online-Portalen) kassiert von Leuten, die politisch anders denken, als der links orientierte Kling. Wer so politisch wie Kling schreibt, der hat vermutlich direkt sämtliche Erwachsene, die rechtspopulistische oder rechte Volksparteien oder die Liberalen wählen, als Leserschaft und Publikum verloren – also gut die Hälfte aller möglichen.

Erstaunlicherweise schafft es Marc-Uwe Kling trotzdem bei seinen Auftritten ganze Theater (mit bis zu 2000 Plätzen) zu füllen. Kürzlich habe ich ihn in einer ausverkauften Lesung im Admiralspalast erlebt. Bei anderer Gelegenheit in der Alten Oper Frankfurt, wo er sein Publikum nur an einem Tisch mit Wasserglas sitzend in seinen Bann ziehen und begeistern konnte – bei ihm trägt alleine seine Stimme und der Text.

Multimedia-Show statt Fantasie

Fitzek hingegen wartet in der Arena mit aufwendig produzierten Videos, stimmungsvoller Live-Musik und einem atmosphärischen Lichtdesign auf. Als Zuschauerin brauche ich meine Fantasie überhaupt nicht mehr zu bemühen – das Wort alleine genügt nicht, ich bekomme die Bilder und die Emotion gleich mit serviert. Schade eigentlich! Denn für mich besteht die große Faszination beim Lesen darin, dass meine Vorstellungskraft aktiviert wird und ich mir die Figuren und Schauplätze selbst ausmalen kann.

Sich wohlfühlen oder lieber die Angst vor dem Tod besiegen?

Was macht den Reiz des Thrillers aus? Es bedeutet auf jeden Fall einen Ausbruch aus dem Alltag. Doch eine Realitätsflucht findet man auch im Wohlfühlroman. Ist es doch eher der anregenden Nervenkitzel, den die Leute suchen? Den findet man auch in der Geisterbahn auf der Kirmes oder an Halloween.

Oder erfüllt der Thriller (Krimi, Schauerroman) ein noch tiefergehendes Bedürfnis des Menschen: Die Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Bösen in der Welt und mit der eigenen Sterblichkeit. Verliert der Tod sein Grauen, wenn wir nur oft genug im sicheren Gedankenraum eines Buches darüber lesen?

Welche Antwort auch zutrifft: Der Grusel befriedigt ein menschliches Bedürfnis und Fitzek liefert den passenden Stoff dazu.

Gemeinschaftsgefühl und ein Hauch von Unsterblichkeit

Solch eine große Menschenmenge in einer Arena entfaltet zudem eine eigene Dynamik. Ich werde als Einzelperson Teil der Gemeinschaft, gehöre dazu. Wenn man sein kleines (Handy-) Licht zusammen mit tausenden anderen erstrahlen lässt, wird man Teil eines fast schon überirdischen Sternenhimmels. Da sind wir beinahe schon bei der Unsterblichkeit angekommen.

Fazit

Ein unterhaltsamer und stimmungsvoller Abend, nicht nur für eingefleischte Thriller-Fans.

Tipp

Wer vertiefte Einblicke über das Schreibhandwerk der beiden Thriller-Autoren Sebastian Fitzek und Marc-Uwe Kling erhalten möchte, dem empfehle ich diesen super interessanten und unterhaltsamen Podcast, in dem sich die beiden über das Schreiben austauschen:

Marc-Uwe Kling trifft Sebastian Fitzek – Schreiben & Schreddern · 28.06.2024 · 100 Minuten

Deine Meinung

Liest du gerne Thriller? Was denkst du, ist das Geheimnis des Erfolgs von Fitzek? Schreibe mir gerne deine Gedanken dazu in die Kommentare.

Bodo Wartke begeistert sein Berliner Publikum im Admiralspalast mit einer fulminanten Premiere seines neuen Programms: „Wunderpunkt“

Berlin, 5. Dezember 2024

„Aberakadabera“ – mit Zungenhexerei und Tiefsinn wartete Wartke wortgewandt und virtuos im seit Monaten ausverkauften Berliner Admiralspalast mit seinem 7. Programm „Wunderpunkt“ auf.

Die Stimmung im Haus surrt vor freudiger Erwartung und Bodo, wie ihn seine treuen Fans vertraulich nennen, wird mit einem enthusiastischen Auftrittsapplaus begrüßt. Der 47-jährige Künstler tritt schwungvoll auf und strahlt in seinem rosa Anzug mit blauem T-Shirt und weißen Sneakern jugendliche Frische aus. Auf der Bühne erwarten ihn ein Piano und ein erleuchtetes Podest, auf dem er einige besondere Tanzeinlagen und musikalische Happen mit seiner Trommelbox und Schütteleiern in den Socken präsentieren wird.

Der Musikkabarettist und Liedermacher beweist erneut seine Vielseitigkeit und ist ein wahrer Allround-Performer, der auf gelungene Weise Wort und Musik über alle Genre-Grenzen hinweg miteinander verbindet: Bodo Wartke zeigt sein Können als Komponist, Pianist, Texter, Sänger, Percussionist, Tänzer und Zungerbrecher-Spezialist. Auch thematisch zeigt Wartke eine große Bandbreite von persönlich bis politisch – er legt den Finger in die Wunden und macht dabei wundern.

Im Foyer des Admiralspalasts Berlin (Foto: privat)

Musikalisch spannt er den Bogen von der klassischen Musik mit der Mondscheinsonate von Beethoven, die er poetisch vertont hat, über den Blues zum Schlager und verbindet diesen sogar mit dem Gangsta-Rap, wie er in seiner satirischen Umdichtung von Helene Fischers „Atemlos“ im typisch Testosteron gesteuerten und Frauen verachtenden Rapper-Sprech höchst amüsant unter Beweis stellt und ein neues Genre erschafft: den (jugendfreien) Gangsta-Schlager. Hierbei spart er vulgäre Worte geschickt aus, doch durch den Reim der vorigen Zeile ergänzt man das Wort selbst im Kopf.

Bei einem gutgelaunten Ausflug in die 1980er Jahre, bei dem das lyrische Ich seiner Freundin ein Mixed-Tape auf Kassette zusammenstellt (die unweigerlich zu Bandsalat wird), stimmt er einige Hits aus diesem Jahrzehnt an und das Publikum singt begeistert mit.

Ganz im Geist der Musikwissenschaft präsentiert er sogar die Zwölftonmusik in einem Gespräch zwischen Gast und Kellner. Das Liebeslied „Beflügelt“ widmet er seinem langjährigen Gefährten, dem Flügel.

Die komplizierte Liebe zwischen Mann und Frau, aus deren Abgründen und Fallgruben sich auch viele Lieder seiner früheren Programme gespeist haben, kommt wieder zum Zug mit dem sinnlich-zärtlichen Erinnern an Momente des Tanzens und der Vereinigung („90 Grad“).

In „Ich bin mit meinen Gefühlen allein“ besingt er den Kummer der unerwiderten Liebe.

Richtig psychologisch wird es in „Die Muster sind mächtig“, in dem sowohl Mann als auch Frau sich in toxische Beziehungen begeben, weil sie diese Muster schon als von Mutter oder Vater nicht richtig geliebtes Kind erlernt und übernommen haben.

Bodo Wartke am Piano (Foto: privat)

Manche Stücke nähren sich aus seiner puren Begeisterung für das Sprachspiel, durch das er dem Alltäglichen etwas Besonderes abgewinnt. So zum Beispiel beim fröhlichen Klagelied auf seinen Drucker, der sich der Arbeit verweigert, herumdruckst und so unter Druck steht, weil er sich in Wirklichkeit als Scanner fühlt. Auch bei der Hommage an seine Friseurin spielt er witzig und überraschend mit den Wörtern rund um das Schneiden von Haaren.

Im nachdenklichen Lied „Denken“ werden alle Variationen des Denkens beleuchtet, vom Vorausdenken bis zum Querdenken.

Die Sprachakrobatik auf die Spitze treibt er jedoch mit seinen Zungenbrechern, die er in letzter Zeit auch sehr erfolgreich auf TikTok darbietet (Bodo ist immer am Zahn der Zeit): Hier denkt und dichtet er bekannte Zungenbrecher weiter: Warum ist das Blaukraut der natürliche Feind des Brautkleids? Was passiert eigentlich, nachdem Fischers Fritz den frischen Fisch gefischt hat? Was hält der Nachbar vom dicken Dachdecker, der das Dach deckt?

Die größte spontane Begeisterung erntet Bodo für seinen Zungenbrecher zum „Reismilchmilchreis“. Natürlich darf die virale Social-Media-Sensation „Barbaras Rhabarberbar“, in der Barbaren auf Barbiere stoßen, nicht fehlen und er tanzt dazu die originelle Choreographie, die abertausendfach auf TikTok weltweit nachgetanzt wurde.

Doch auch besonderen Kleinoden der deutschen Sprache widmet er sich und spendiert dem längsten Wort im Duden ein eigenes Lied: Dem Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. Hier lernt er sogar das Publikum an, erstaunlicherweise ist es ein echter Mitsing-Song.

Die Beziehungen zwischen Mann und Frau nimmt Wartke jedoch auch in gesellschaftlicher Hinsicht unter die Lupe, wenn er sich auf die Seite des Feminismus stellt und das Patriarchat und insbesondere Männer mit ihrer toxischen Männlichkeit aufs Korn nimmt.

In „Mansplaining“ – darin ist Mann „immens im Training“ – wird der penetrante Belehrer humorvoll vorgeführt.

Auch die Jahrtausende alten Religionen sind nach Bodo Wartke im Beta-Stadium steckengeblieben und leiden unter einigen Sicherheitslücken. Hier sieht er dringenden Bedarf für ein System-Update, er schlägt zum Beispiel eine Fegefeuer-Wall vor und legt in seinem Lied einen ganze Liste von Ergänzungen der Heiligen Schriften vor, die das friedliche Zusammenleben aller Menschen wesentlich verbessern würden.

Die Politik(er) und der Neoliberalismus bekommen auch ihr Fett weg in der treffsicheren Ummünzung des Sommerhits „Wildberry Lillet“ von Nina Chuba auf die FDP: „Eure Armut kotzt mich an… ich bin bei der FDP, wo Superreiche ihre Privilegien enthemmt und moralfrei auf den Schultern der unteren Schichten und zu Lasten des Klimas ausleben.

Die Verletzbarkeit der Demokratie und die Dummheit der Neofaschisten zeigt er mit in seiner DystopieEs wird Zeit“ auf, in der diese für eine Autokratie demonstrieren. Ein Autokrat kommt an die Macht und greift endlich hart durch. Was die Demokratie-Verächter nun doch ins Zweifeln bringt. Vielleicht war die Demokratie gar nicht so übel? Für ihre Wiederherstellung gehen sie nun demonstrieren. Dumm nur, dass dem Autokraten das gar nicht gefällt und er die Demonstranten kurzerhand erschießen lässt.

Dem setzt Bodo Wartke in seinem letzten Lied eine Utopie gegenüber: In „Überwunden“ wird alles wahr, wofür er in seinem Programm plädiert: Liebe, Toleranz, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem Planeten.

Die Bühnenshow wird von einem stimmigen Lichtkonzept mit Ballon-Laternen und farbigen Scheinwerfern begleitet.

Stimmungsvolles Lichtkonzept auf der Bühne (Foto: privat)

Am Ende des fulminanten Abends wird Bodo Wartke mit Standing Ovations belohnt und gibt noch zwei Zugaben, darunter ein Schlaflied „Ins Bett“ (auf „Bad“ von Michael Jackson).

Admiralspalast Berlin – ausverkauftes Haus (Foto: privat)

Jonas Kaufmann verführt und lässt sich verführen – umjubelte Puccini-Gala in Bremen

Die Glocke – Das Bremer Konzerthaus, 6. November 2024

Die Klassikwelt feiert 2024 den Meister der vertonten Leidenschaft: Giacomo Puccini, der in diesem Jahr vor 100 Jahren starb. Kein Wunder also, dass Startenor Jonas Kaufmann zum Jubiläum eine musikalische Hommage an den genialen Komponisten in Form eines Duett-Albums herausgebracht hat. In „Puccini: Love Affairs“ besingt der Tenor zusammen mit sechs namhaften Sopranistinnen alle Höhen und Tiefen der Beziehung zwischen Mann und Frau. In seiner Herbsttournee „Viva Puccini!“ mit 10 Stationen im deutschsprachigen Raum und in Paris darf man sich auch live vom Gefühlsrausch umfangen lassen.

Startenor Jonas Kaufmann. Foto © Gregor Hohenberg / Sony Music

Am heutigen Abend gastiert der weltberühmte Tenor zusammen mit der italienischen Sopranistin Valeria Sepe im Bremer Konzerthaus „Die Glocke“, es ist die 9. Station auf der Puccini-Tournee, die ein wahrer Triumph ist, in allen Städten sind die Säle ausverkauft, so auch hier.

Jonas Kaufmann beginnt den Abend mit Auszügen aus „Tosca“. Die Rolle des idealistischen Malers Mario Cavaradossi, der mit seiner Geliebten Tosca, einer eifersüchtigen Gesangsdiva, in die Fänge des sadistischen Polzeichefs Scarpia gerät, gehört zu den absoluten Lieblingsrollen des Tenorissimo, die er in seiner langen Karriere mit Abstand am häufigsten verkörpert hat. In der Auftrittsarie „Recondita armonia“ lässt Kaufmann seine goldene Stimme warm strömen und zeigt, dass er die italienische Legato-Kultur bestens beherrscht. Wie ein Maler mit seiner Palette bringt er verschiedene Stimmfarben zum Einsatz. Auch die Höhen sind kraftvoll, wobei Kaufmann diese sogar sanft an- und abschwellen lassen kann – ein stimmtechnisches Meisterstück, das nicht viele Tenöre beherrschen.

Jonas Kaufmann und Valeria Sepe interpretieren ein Duett aus „Tosca“. Foto von Patric Leo.

Im nachfolgenden Liebesduett zwischen Mario und Tosca bietet Puccini eine große emotionale Bandbreite aus Koketterie, Verführung und Eifersucht, die der Spielfreude der Interpreten viel Raum lässt. Zwischen Tenor und Sopran spürt man in der Interaktion große kollegiale Vertrautheit, die im Laufe der Tournee gewachsen ist. Durch ihr intensives Zusammenspiel mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik wird die Szene lebendig und man kann ganz eintauchen in die Situation. Valeria Sepe gibt eine temperamentvolle Tosca, eine Diva, die ihren Mario spielend um den kleinen Finger wickelt.

Die Sopranistin hat eine kraftvolle Stimme, die mir stellenweise ein bisschen scharf ins Ohr dringt. Vergleichsweise klingt Maria Agresta (die ich auf dieser Tournee in Frankfurt gehört habe, sie hat Kaufmann bei 4 Terminen begleitet) weicher und lieblicher. Sepe versteht es bestens, ihre weiblichen Reize in ihrer Rollendarstellung auszuspielen. In ihrem lachsfarbenen Kleid sieht die junge Italienerin bildschön aus. Auch der 55-jährige Kaufmann gibt in festlichem Frack und mit seinen graumelierten Locken ebenfalls eine attraktive Erscheinung ab.

Die berühmte Arie „Vissi d’arte“ interpretiert Valeria Sepe mit einem feurigen Aufbegehren gegen die Ungerechtigkeit Gottes und ihres Schicksals. Mir persönlich fehlt in diesem Gebet ein bisschen die Innerlichkeit.

Foto von Patric Leo

Im Vorspiel vom 3. Akt von Tosca erweist sich die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Jochen Rieder als niveauvoller Klangkörper. Dirigent Rieder begleitet Kaufmann seit vielen Jahren auf seinen Tourneen und die beiden sind ein eingespieltes Team. Im Instrumentalen zeigt sich die besondere atmosphärische Kraft von Puccinis Komposition: Durch das Glockengeläut fühlt man sich auf das Dach der Engelsburg in Rom versetzt, sieht die Sonne aufgehen und die melancholischen Klänge von Cello und Klarinette künden vom nahenden Tod für Mario und Tosca.

Ein erstes inniges Highlight gelingt dem Tenor in seiner intensiven Interpretation der Arie, „E lucevan le stelle“, in der Cavaradossi in sehnsuchtsvoller Erinnerung schwelgend Abschied vom Leben nehmen muss. Das Publikum belohnt Kaufmann mit einem begeisterten Applaus.

Foto von Patric Leo

Als nächstes taucht man ein in die Welt des Poeten Rodolfo und der Näherin Mimì aus „La Bohème“, bei deren Kennenlernen aus einem Kerzenlicht bald ein Feuer der Leidenschaft entbrennt. Hier trumpft Kaufmann im Schlusston des Liebesduetts „O soave fanciulla“ mit einem Spitzenton am Ende aus dem Off auf, bei dem man staunt, dass der Tenor sich trotz des fordernden Programms nicht zu schonen scheint.

Nach der Pause blühen und glühen beide Sänger voll auf im leidenschaftlichen Duett der Hochzeitsnacht aus „Madama Butterfly“. Die Sopranistin trägt nun ein schwarzes Kleid und hat sich die breiten Bänder ihrer rückseitigen Schleife über die Arme und Hände gehängt, die sie wie eine Geisha in einem traditionellen Kimono hält. Sie schlüpft auch gesanglich ganz in die Haut der unschuldigen Cio-Cio-San, die mit zarten Tönen in ihrem frisch vermählten Ehemann Pinkerton heißes Begehren auflodern lässt. Wenn sie die Stoffbänder schüchtern von ihren Armen streift und damit ein Entkleiden der Braut andeutet, reagiert ihr Tenor-Partner mimisch und vokal mit drängender Leidenschaft („vieni…vieni“). Das Duett schaukelt sich ekstatisch hoch bis zum Höhepunkt, in dem Puccini die Liebe als geradezu orgastisches Feuerwerk in Musik verwandelt hat. Die wunderbaren Stimmen von Kaufmann und Sepe erstrahlen mit voller Leuchtkraft und auch das Bremer Publikum ist von der Hitze der Gefühle entflammt und applaudiert begeistert.

Einen weiteren furiosen Höhepunkt bieten Tenor und Sopran im Duett „Tu, tu, amore? Tu?“ aus „Manon Lescaut“, in dem die Stimmung aufgeladen ist von Begehren und zorniger Eifersucht. Dieses Duett ist eine gesangliche Tour-de-Force, bei der Kaufmanns Stimme ein klein wenig ermüdet klingt, wenn er hier ständig „Vollgas“ geben muss.

In der ersten Zugabe lässt der Tenor in „Ch’ella mi creda“ (aus „La fanciulla del West“) seine Stimme wieder im weichen Nougatschmelz erklingen, der zu einem sanften Verführer passt, und schafft am Ende helle Glanzpunkte, bei denen er wieder ganz frisch klingt.

Herzerweichend und lyrisch zart singt Valeria Sepe das liebevolle Flehen von Liù „Signore, ascolta“ (aus „Turandot“), was von Kaufmann als Calaf eine ebenso zartfühlende Antwort im tröstlichen „Non piangere, Liù“ erfährt. Sodann begeistert Sepe mit einer schönen Interpretation von „O mio babbino caro“ (aus „Gianni Schicchi“).

Nach anhaltendem Jubel mit Standing Ovations, Bravo-Rufen und Fußgetrappel beschenkt der Tenor das Publikum mit der Parade-Arie „Nessun dorma“ (aus „Turandot“), ohne die eine Puccini-Gala nicht komplett wäre. Auch wenn der finale hohe Ton („Vincerò!“) zu Beginn nicht ganz anspringt und Kaufmann ein bisschen nachdrücken muss, um den Ton in kraftvolle Höhen zu bringen, verfehlt er nicht seine Wirkung – frenetischer Jubel brandet auf!

Foto von Patric Leo

Das Bremer Publikum ist derartig begeistert, dass sich Kaufmann sogar zu einer 6. Zugabe überreden lässt (was auf dieser Tournee nur ganz selten vorkam). Wenn er gelöst in den Zuschauerraum strahlt und mit einem spielerischen Gestus die weiße Fliege seines Fracks aufbindet, dann springt dieser besondere Kaufmann-Charme über, der seit Jahren die Herzen seiner weiblichen Fans höherschlagen lässt. „Non di scordar di me“ (von De Curtis) ist der zartschmelzende musikalische Abschiedsgruß des Tenorissimo, der alle Wünsche erfüllt, die man an einen Künstler haben kann.

Ja, es war wirklich ein Abend, den man nicht vergisst – ein Feuerwerk aus Gefühlen, wie es nur Puccini zu entzünden vermag, transportiert von zwei traumhaften Stimmen auf höchstem Niveau.

Konzerthaus „Die Glocke“ im Herzen von Bremen. Foto privat.

Die nächsten Auftritte von Jonas Kaufmann finden Sie im Kalender seiner Homepage.

Jonas Kaufmann. Foto © Gregor Hohenberg / Sony Music

Titelbild: © Patric Leo

Jonas Kaufmann und Maria Agresta lassen die Leidenschaft hell aufglühen in der Puccini-Gala in der Alten Oper Frankfurt

Alte Oper Frankfurt, 22. Oktober 2024: Jonas Kaufmann – Viva Puccini!

Das Klassik-Jahr 2024 steht ganz im Zeichen von Giacomo Puccini, der mit seinen leidenschaftlichen Kompositionen wie kein anderer im ausgehenden 19. Jahrhundert die neue Ära des italienischen „Verismo“ geprägt hat. In Puccinis Opern stehen nicht mehr Adelige im Zentrum der Geschichte, sondern die Menschen von nebenan: Studenten, Künstler, Grisetten. In ihren Sehnsüchten und Gefühlsstürmen aus Liebe und Eifersucht offenbart sich das „wahre Leben“, ungeschminkt und mit großer Intensität. Die betörende Sogwirkung von Puccinis Musik fasziniert auch 100 Jahre nach seinem Tod und seine drei berühmtesten Opern „La Bohème“ (1896), „Tosca“ (1900) und „Madama Butterfly“ (1904) gehören fest ins Repertoire eines jeden Opernhauses.

Jonas Kaufmann © Gregor Hohenberg / Sony Music

Kein Wunder also, dass Startenor Jonas Kaufmann zum Jubiläum eine musikalische Hommage an den genialen Komponisten in Form eines Duett-Albums herausgebracht hat. In „Puccini: Love Affairs“ besingt der Tenor zusammen mit sechs namhaften Sopranistinnen alle Höhen und Tiefen der Beziehung zwischen Mann und Frau. In seiner Herbsttournee mit 10 Stationen im deutschsprachigen Raum und in Paris darf man sich also live vom Gefühlsrausch emportragen lassen. Kaufmann wird hierbei abwechselnd von den italienischen Sopranistinnen Maria Agresta (die auf seiner CD als Madama Butterfly zu hören ist) und Valeria Sepe begleitet. Nachdem der Tenor das erste Konzert in Paris wegen seiner erneuten Corona-Infektion verschieben musste, ist der Startschuss am 13. Oktober in Wien fulminant geglückt und die Alte Oper Frankfurt ist nun die 4. Station auf der ambitionierten Tournee.

Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Jochen Rieder in der Alten Oper Frankfurt © Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Wie in allen Städten zuvor ist auch in Frankfurt der Konzertsaal ausverkauft und das Publikum erwartet voller Spannung, ob der preisgekrönte Sänger, Medienliebling und Frauenschwarm seinem Ruf als „begehrtester Tenor der Welt“ gerecht werden kann.

Jonas Kaufmann beginnt den Abend mit Auszügen aus „Tosca“. Die Rolle des idealistischen Malers Mario Cavaradossi, der mit seiner Geliebten Tosca, einer eifersüchtigen Gesangsdiva, in die Fänge des sadistischen Polzeichefs Scarpia gerät, gehört zu den absoluten Lieblingsrollen des Tenorissimo, die er in seiner langen Karriere mit Abstand am häufigsten verkörpert hat. Die Partie liegt ihm bestens in der Kehle und in seiner Auftrittsarie „Recondita armonia“ kann er seine Stimme in der goldenen Mittellage warm strömen und auch die Höhen kraftvoll anschwellen lassen.

Im nachfolgenden Liebesduett zwischen Mario und Tosca bietet Puccini eine große emotionale Palette aus Koketterie, Verführung und Eifersucht, die der Spielfreude der Interpreten viel Raum lässt. Kaufmann gibt den Maler vielleicht ein bisschen zu routiniert, wohingegen seine Partnerin Maria Agresta die Diva mit viel stimmlicher Präsenz darbietet und zudem in ihrem marineblauen Kleid auch optisch ein Hingucker ist. Kaufmann in festlichem Frack und mit seinen graumelierten Locken gibt ebenfalls eine attraktive Erscheinung ab.

Jonas Kaufmann und Maria Agresta © Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Zwischen Tenor und Sopran spürt man in der Interaktion kollegiale Vertrautheit – die beiden haben bereits im Jahr 2017 bei Kaufmanns grandiosem Debüt als Otello am Royal Opera House in London gemeinsam auf der Bühne gestanden, Agresta war seinerzeit seine Desdemona.

Ein erstes Highlight gelingt Kaufmann in seiner intensiven Interpretation der Arie, „E lucevan le stelle“, in der Cavaradossi in sehnsuchtsvoller Erinnerung schwelgend Abschied vom Leben nehmen muss. Hier bringt er seine italienische Legatokultur beim Singen bestens zum Einsatz und besonders die leisen Töne berühren mit ihrer Innerlichkeit. Im Vorspiel sorgt die Solo-Klarinette für Melancholie und die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Jochen Rieder erweist sich als niveauvoller Klangkörper. Rieder begleitet Kaufmann seit vielen Jahren auf seinen Tourneen und die beiden sind ein eingespieltes Team.

Als nächstes taucht man ein in die Welt des Poeten Rodolfo und der Näherin Mimì aus „La Bohème“, bei deren Kennenlernen aus einem Kerzenlicht bald ein Feuer der Leidenschaft entbrennt. Hier trumpft Kaufmann im Schlusston des Liebesduetts „O soave fanciulla“ mit einem Spitzenton am Ende aus dem Off auf, bei dem man staunt, dass der Tenor sich trotz des fordernden Programms nicht zu schonen scheint. Das Publikum applaudiert freundlich, aber so richtig scheint der Funke noch nicht übergesprungen zu sein.

Maria Agresta © Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Nach der Pause blüht Maria Agresta im leidenschaftlichen Duett der Hochzeitsnacht aus Madama Butterfly“ zwischen der unschuldigen Geisha Cio-Cio-San und dem rücksichtslosen Seemann Pinkerton förmlich auf. Hier überflügelt die Sopranistin mit ihrer vor Gefühl flirrenden Interpretation sogar ihren Partner. Kaufmann gelingt es jedoch, diese Figur, die er auf der Bühne nie dargestellt hat, weil sie ihm zu unsympathisch ist (wie der Tenor in Interviews bekennt), mit drängender Leidenschaft („vieni…vieni“) auszustatten, die schon die Zerstörung der zarten Flügel des Schmetterlings erahnen lässt. Jetzt wird auch das Publikum von der Hitze der Gefühle entflammt und zeigt sich begeistert.

Einen furiosen Höhepunkt bieten Kaufmann und Agresta im Duett „Tu, tu, amore? Tu?“ aus Manon Lescaut“, in dem die Stimmung aufgeladen ist von Begehren und zorniger Eifersucht, die Kaufmann kernig und leidenschaftlich darbietet, und von der Sopranistin mit selbstbewusster Weiblichkeit befeuert wird.

Begeisterung im Saal und auf der Bühne © Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

In der ersten Zugabe lässt der Tenor in „Ch’ella mi creda“ (aus La fanciulla del West) seine Stimme wieder im weichen Nougatschmelz erklingen, der zu einem sanften Verführer passt.

© Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Herzerweichend und lyrisch zart singt Maria Agresta das liebevolle Flehen von Liù „Signore, ascolta“ (aus „Turandot“), was von Kaufmann als Calaf eine ebenso zartfühlende Antwort im tröstlichen „Non piangere, Liù“ erfährt.

© Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt
© Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Den Abend beschließt der Tenor mit der obligatorischen Parade-Arie „Nessun dorma“ (aus „Turandot“), die nun auch den letzten im Publikum vom Sitz reißt und mit einer Standing Ovation belohnt wird, auch wenn der finale hohe Ton („Vincerò!“) von der gesanglichen Tour de Force des Abends geschwächt klingt und wohl auch wegen des gerade überstandenen Infekts (zwischendurch musste der Tenor einige Male husten) nicht so kraftvoll und schillernd gelingt, wie man es eigentlich von Jonas Kaufmann gewohnt ist. Aber live ist live und am Ende strahlt der Tenor erleichtert und offensichtlich froh, dass die Musik von Puccini zielsicher ins Herz der Menschen getroffen und die Zuhörenden bewegt hat.

Jonas Kaufmann, Maria Agresta und Jochen Rieder freuen sich über Standing Ovations des Frankfurter Publikums. © Andreas Etter / Pro Arte Frankfurt

Ein Konzert mit einem Feuerwerk aus Gefühlen, wie es nur Puccini zu entzünden vermag, transportiert von zwei wunderbaren Stimmen auf höchstem Niveau.

Die nächsten 6 Stationen der Puccini-Tournee von Jonas Kaufmann finden Sie im Kalender seiner Homepage.

Neuerscheinung meines Hörbuchs: Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen

Ich habe gute Nachrichten für euch: Endlich gibt es „Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen“ auch als Hörbuch!

Für die Vertonung von Band 1 meiner romantischen „Alles grün“-Reihe konnte ich die sympathische Sprecherin Christiane Frankenstein gewinnen.

Mein Hörbuch „Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen“ ist ab sofort in allen gängigen Online-Shops verfügbar. Eine Hörprobe steht auch für dich bereit: LINK.

Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen von Lilli Meinhardis (Hörbuch gelesen von Christiane Frankenstein)

Du kannst das Hörbuch sogar gratis im Probeabo anhören – zum Beispiel bei BookBeat. Oder bei Spotify.

Das Hörbuch ist z.B. erhältlich bei Thalia zum Download oder im Abo.

Schau auch gerne bei unserem Hörbuchverlag Piet Henry Records vorbei. Dort findest du zum Beispiel mein Autorinnen-Porträt: Lilli Meinhardis.

Lilli Meinhardis freut sich über den Release des Hörbuchs „Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen“ (September 2024). Foto: privat

KLAPPENTEXT

Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen

Eine leichte und witzig-spritzige Sommerkomödie voller Romantik und Genuss

»So gegensätzlich Isa und Natália auch waren, so einträchtig waren sie in ihrem Geschmack: Grün musste es schmecken. Ob ein Kraut oder ein Gemüse – jede Speise wurde erst durch das gewisse Grün zu einem besonderen Gaumenerlebnis.«

Natália hat sich inmitten der Wolkenkratzer der Bankenmetropole am Main eine Oase geschaffen: Auf ihrem Dachgarten baut sie aromatische Kräuter für ihr aufstrebendes Café »Alles grün« an. Die Blondine hat allerdings auch ein Talent dafür, in Fettnäpfchen zu treten: In ihrem Nebenjob in einer Bank fährt sie zuerst mit ihrem Putzwagen über die polierten Schuhe des charmanten Bankers Marco, der ganz verzückt von ihrem Temperament ist. Kurz darauf wird sie beim heimlichen Umkleiden im Büro vom zugeknöpften Robert erwischt. Der ist hingerissen von der geheimnisvollen Unbekannten und hält sie irrtümlich für eine neue Kollegin. Als dann ein plötzlicher Stromausfall ganz Frankfurt in Dunkelheit taucht, ist das Verwirrspiel der Verliebten perfekt.

Lilli Meinhardis freut sich über ihr neues Hörbuch: Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen. Foto: privat (2024)

Unboxing:

#unboxing #neuerscheinung #hörbuch #lillimeinhardis #daskleinekräutercafé #allesgrün

UN#herzkirschen #gefühlvoll #liebe #frankfurtammain #autorin #bookstagram #autor_innenleben #liebesroman #wohlfühlroman #contemporaryromance #lostinbooks #bookmarked #mustread #neuimregal #hörbuch #HörbuchLiebe #Neuerscheinungen #hörbuchwelten #Hörbücher #lillimeinhardis #daskleinekräutercafé #allesgrün #herzkirschen #gefühlvoll #liebe #hörprobe #summervibes #release

Social Share Buttons and Icons powered by Ultimatelysocial