Folge 3: Allmende Kontor – Formenfreiheit auf dem Flugfeld – Krummes Gemüse und Pflanzen aus dem Schuh

STANDORT UND BODENVERHÄLTNISSE

Ich spaziere über die Asphaltbahn des Tempelhofer Feldes mit freiem Blick in alle Richtungen, bunte Drachen flattern am Himmel vor dramatischen Wattewolken und ein Schwarm Lerchen kreist in dunkler Formation über den Wiesen.

Am heutigen Sonntag herrscht reges Treiben – Flaneure, Fahrradfahrer, Jogger, Drachendompteure und Wiesenspieler – alle tummeln sie sich in der Sonne und verlieren sich dabei in der Weite des Feldes.

PROBIEREN GEHT ÜBER PIKIEREN

Heute zieht es mich zum „Allmende Kontor“ – nicht nur die grüne Gartengemeinschaft, sondern auch eine kulinarische Aktion lockt mich an.

Schon von weitem kann ich die pflanzenumrankten Holzkonstruktionen und Fahnen entdecken, die wie kleine Boote zusammen einen lebendigen Hafen bilden. Es gibt keine Zäune, die wabenartigen Beete bilden wie von selbst gewachsen alle Formen und Launen der menschlichen Natur ab und sind nach außen hin offen.

Im Eingangbereich muss ich über ein Schuhregal schmunzeln – hier sprießt rebellisches Grünzeug aus alten Tretern und sogar aus einem Radio.

Wie der Name „Allmende“ (= Gemeindegut) schon sagt, gehört der Garten der Gemeinschaft, er wurde 2011 von 20 engagierten Gärtnern gegründet und ist seitdem zu einem Verein mit über 500 Mitgärtnerinnen gewachsen.

Die interkulturelle und ökologische Ausrichtung des Gartens lerne ich heute sofort kennen.

Auf dem Dorfplatz stehen Sebastiano, Alessandro und Catja an der Theke und bereiten aus „hässlichen“ Lebensmittel liebevoll Leckereien zu. Es ist eine Aktion gegen Lebensmittelverschwendung – Obst und Gemüse, das nicht dem „Schönheitsideal“ entspricht, ist (oft) unverkäuflich und wird tonnenweise weggeworfen.

Allesandro brutzelt mir einen Kräuterknödel aus geretteten Bio-Zutaten (extra ohne Nüsse für mich) auf einer Herdplatte, die ihren Strom vom Windrad gegenüber bezieht. Ich frage ihn nach seinem Beet und er erzählt mir ein bisschen auf Deutsch und auf Englisch zu seinen Pflanzen und rät mir, was ich zu dieser Jahreszeit noch auf meinem Balkon anbauen könnte (Kohl, Kräuter).

Catja richtet dazu in einer Holzbarke einen Salat aus Gurken, wilden Kräutern und Brombeeren an.

Meine Schwester Leonie ist heute übrigens auch wieder mit dabei (ihr kennt sie schon aus dem Spree-Park). Auf dem Dorfplatz unter dem Zeltdach spielt ein junge Mann mit Gitarre zum Essen auf.

BLICKFANG

Nach der genüsslichen Stärkung erkunde ich den Garten. Kleine Wege führen im Zickzack durch die ulkigen Gärten. Jedes Beet ist individuell gestaltet.

Hier werde ich zum Blütennaschen ermutigt – lecker.

Dort dient eine Badewanne als Pflanzenkübel.

Warum nicht einen Einkaufswagen als Beetbegrenzung benutzen?

Überall sind selbst gezimmerte Sitzgelegenheiten, in den grünen Nischen sitzen die Gärtner und Gäste im entspannten Gespräch – einige verschiedene Sprachen dringen an mein Ohr.

Dort pflegt eine Frau fleißig ihr Beet und tauscht sich mit ihrer Nachbarin über ihre Ernte aus.

Anderswo basteln zwei Männer an der Erweiterung ihres Beets – ich frage sie, wie man hier Gärtner wird, sie erzählen, dass die Beete jedes Jahr neu zugeteilt werden, sie selbst haben ein Spielzeuggeschäft und kümmern sich gemeinschaftlich um ihr Beet.

Übrigens kommen auch Kinder hier auf ihre Kosten: Mitten im Grün steht ein hölzernes Flugzeug und ein Verschlag wie ein Kaufmannsladen verspricht „Flugtickets“. Die Kleinen sind eindeutig in Reiselaune.

LITERARISCHE ERNTE

Was sagt eigentlich Goethe dazu?

Wie ihr vielleicht wisst, war auch Goethe ein großer Gartenreisender, Botaniker und Gärtner.

Die Pflanze gleicht den eigensinnigen Menschen,
von denen man alles erhalten kann,
wenn man sie nach ihrer Art behandelt.
Ein ruhiger Blick
eine stille Konsequenz,
in jeder Jahreszeit,
in jeder Stunde
das ganz Gehörige tun,
wird vielleicht von niemand mehr
als vom Gärtner erwartet.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

AM WEGESRAND

Auf dem Tempelhofer Feld war gerade „Wiesenmahd“ und die Heuballen versetzen mich sofort zurück in meine Jugendtage auf dem Lande. Ganz klar, dass ich auf einen Heuballen springen muss.